kulturtipp: Herr Keiser, Sie kritisieren in Ihrem neuen Programm den Export von Schweizer Sportwaffen nach Nordkorea. Was stört Sie daran?
Lorenz Keiser: Befürworter von Waffenexporten stellen korrekt fest: Wenn wir das nicht tun, machen es andere. Doch neben den wirtschaftlichen Werten gibt es moralische. Ich finde, man sollte sich daran halten, auch wenn andere dies nicht tun. Das ist mehr wert, als einen halben Arbeitsplatz in der Schweiz zu sichern.
Eine solche politische Kritik ist längst nicht mehr provokativ.
Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer denkt nicht so wie ich. Sie stellen ihr wirtschaftliches Eigeninteresse über alle moralische Verantwortung, wie man das bei vielen Volksabstimmungen immer wieder sieht.
Es interessiert niemanden, ob Sie für oder gegen den Waffenexport sind. Soll so etwas politisches Kabarett sein?
Nein, aber Sie haben mich nach meiner politischen Meinung gefragt. Eine andere Frage ist, wie ich diese Meinung auf der Bühne umsetze und allenfalls provoziere. Und ich glaube, das gelingt mir ziemlich gut.
Heute kann man ja fast nicht mehr provozieren; alles ist abgegriffen. Seien es Sprüche über Sex oder Alter – alles wird durchwegs akzeptiert.
Das stimmt zum Teil, weil unsere Gesellschaft in den letzten 20 Jahren eine tiefgreifende Veränderung erfahren hat. Als ich damals noch für das Schweizer Radio arbeitete, waren Religion und Militär tabu. Dazu durfte man gar nichts sagen. Das hat sich seit der Affäre Kopp 1989 und dem Fichenskandal kurze Zeit später geändert. Die Leute haben gemerkt, dass es hier mafiöse Strukturen gibt; und seither darf man alles sagen. Das ist eine gute Entwicklung.
Es erschwert aber Ihre Arbeit als politischer Kabarettist massiv.
Überhaupt nicht. Ich will ja nicht nur provozieren, sondern auch unterhalten. Ich will die Leute zum Lachen bringen, und wenn sie dadurch zu neuen weltanschaulichen Erkenntnissen kommen, umso besser.
Ihre Berufskollegin Sibylle Birkenmeier sieht die Schweiz als eine «satirefreie Zone».
Dazu habe ich nichts zu sagen.
Warum nicht?
Ich habe einfach nichts dazu zu sagen.
Es wäre für Sie einfacher, in einer weniger libertären Gesellschaft auf der Bühne zu stehen.
Nein, ich könnte höchstens einfacher Grenzen überschreiten. Aber es würden sich existenzielle Fragen der persönlichen und familiären Gefährdung stellen. Richtig ist, dass es in Deutschland, Grossbritannien und Italien einfacher ist, Kabarettist zu sein, weil die Politik personalisierter ist. Entscheide lassen sich an Köpfen festmachen.
Wir haben in unserem Land auch ein paar dankbare Figuren.
Ach was.
Zum Beispiel ein SVP-Hard-liner, der eine Asylbewerberin schwarz beschäftigt.
Stimmt, es gibt immer Einzelfiguren, die sich kurze Zeit aufdrängen. Andere agieren schon seit Jahrzehnten auf der politischen Bühne und sind nicht mehr interessant. Wir leiden in diesem Land an einem politischen Stillstand, der die Satire erschwert.
Vorher haben Sie vom Wandel der Gesellschaft in den letzten 20 Jahren gesprochen.
Ich will sagen, dass bei uns niemand für nichts verantwortlich ist. Die Konkordanz der politischen Parteien verwischt alles. Die breite Bevölkerung kennt zudem höchstens die Namen von zehn Politikern. Auch das macht es nicht einfacher.
Die Themen der Kabarettisten wiederholen sich. Ihr Vater Cés Keiser hat sich vor Jahrzehnten über die TV-Werbung lustig gemacht. Jetzt kommen Sie im neuen Programm wieder damit.
Mein Vater tat das, als die Fernsehwerbung in den 1960ern neu war. Ich empfehle diese Art Werbung nun den Politikern, damit man sie endlich wahrnimmt. Das ist etwas anderes. Aber es stimmt; die grundsätzlichen Lebensumstände bleiben sich in der Schweiz ähnlich, ähnlicher als in andern Ländern jedenfalls.
Sie sind ein Armer mit Ihrer schweren Jugend, weil der Vater Sie zwang, Kabarettist zu werden statt Musiker.
Da liegt ein Missverständnis vor. Ich persönlich bin ja nicht die Kunstfigur, die im neuen Programm auf der Bühne steht. Dieser Typ will eigentlich lieber Musiker sein als Kabarettist. Das hat gar nichts Autobiografisches. Im Übrigen muss ich Sie enttäuschen, ich hatte keine schwere Jugend, ich kam sehr spät zum Kabarett.
In Ihrem neuen Programm treten Sie mit Popmusik auf – Sehnsucht nach der verlorenen Jugend?
Überhaupt nicht. Ich parodiere die Musik von heute und gestern; meine Musik wäre diejenige von vorgestern. Ich musste mich in die Musik einarbeiten, weil ich bisher damit nicht vertraut war. Nach 25 Jahren will ich in einer neuen Art auf der Bühne stehen.
Andere würden sich einen Töff kaufen und ans Nordkap blochen.
Da sehe ich leider keine Parallele. Können Sie mir das erklären?
Ganz einfach. Sie wollen im gesetzteren Alter nochmals etwas Neues versuchen.
Ich will einfach meine Arbeit nach 25 Jahren auf der Bühne neu zeigen. Das ist kein persönlicher Ausbruch, sondern ein beruflicher. Ich weiss, dass ich mich damit auf dünnem Eis bewege. Beim Alten bleiben oder Neues wagen? Als ich diesen Entscheid fällte, war eines klar: Wenn ich Neues wagen will, muss ich etwas tun, das ich nicht kann, etwa Musik spielen und ein Instrument erlernen.
Chäs und Brot & Rock ’n’ Roll
Ab Mi, 8.1., 20.00
Theater im Seefeld Zürich
www.lorenzkeiser.ch