Nach dem Eklat der Neuanfang. Die 40-jährige SRF-Literaturredaktorin Nicola Steiner wird Ende September den ausgeboteten Stefan Zweifel ersetzen. Steiner war nach ihrem Studium in Passau im Verlagswesen tätig, etwa bei Hanser in München und bei Diogenes in Zürich.
Sie ist seit fünf Jahren Mitglied der SRF-Literaturredaktion und dort namentlich für den «Literaturclub» sowie die Radiosendung «52 beste Bücher» zuständig. In einer Stellungnahme sagt Steiner, dass sie eine Vorliebe für fremdsprachige Autoren habe, die deutsch schreiben – Navid Kermani, Katja Petrowskaja oder Sasa Stanisić: «Wenn ich deren Bücher lesen, sinke ich nieder vor Demut.»
Irritierende Motivation
Das Schweizer Fernsehen setzt damit auf eine solide Literatin; eine weitere Polarisierung in der Sendung droht vordergründig nicht. Steiner wird allerdings wie Zweifel in der Doppelrolle als Moderatorin und Kritikerin auftreten – eine Konstellation, die in einer politischen Gesprächssendung undenkbar wäre. Steiner wird sich in der Runde behaupten müssen, was ihr anscheinend schwerfällt, wie sie festhält, wenn sie über ihren beruflichen Alltag spricht: «Bei so vielen Kolleginnen und Kollegen hatte ich oft schlechte Karten, wenn es um die interne Verteilung der Schweizer Bücher ging; und jetzt darf ich da endlich mitreden! Und zwar richtig.» Eine etwas irritierende Motivation für eine neue Aufgabe.
SRF entschärft das Sendungsprofil in einem entscheidenden Punkt: Auf der Kritikerliste finden sich jetzt neu acht Namen; zu einer Sendung werden jedoch nur drei von ihnen eingeladen. Die andern fünf müssen auf der Ersatzbank warten – bis sie in einer späteren Sendung zum Einsatz kommen. Damit lässt sich eine Eskalation vermeiden, wie sie zwischen Elke Heidenreich und Stefan Zweifel ausgetragen wurde.
Zugleich will der Sender spezielle Talente fördern. So zeichne sich die neue Kritikerin Christine Lötscher als Fantasy-Kennerin aus, also würde sie bei entsprechenden Buchtiteln in der Sendung zum Einsatz kommen, sagt SRF-Kulturchefin Nathalie Wappler. Mit andern Worten: Jede Runde wird personell gemäss der Buchauswahl zusammengestellt.
Das Schweizer Fernsehen geht damit ein Risiko ein, zumal der Marktanteil des «Literaturclub» deutlich unter zehn Prozent liegt: Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer auf die bisherige Verlässlichkeit der Gesprächsrunde verzichten müssen und nicht mehr wissen, wann ihre «Lieblinge» zum Zug kommen, könnte die Lust schwinden, einzuschalten.
Kulturchefin Nathalie Wappler verspricht dennoch eine «spannende» Sendung: «Die Runde soll ja nicht vor sich hindümpeln. Spannungen sind erwünscht, lebhafte Diskussionen nötig.» Man wird sehen.
Das «Literaturclub»-Team
Die Bisherigen
Elke Heidenreich, Kritikerin und Schriftstellerin
Rüdiger Safranksi, Literaturwissenschaftler
Hildegard Keller, Literaturwissenschaftlerin
Die Neuen
Martin Ebel, Literaturkritiker beim «Tages-Anzeiger»
Christine Lötscher, Journalistin und Forschungsbeauftragte
Julian Schütt, Publizist
Thomas Strässle, Dozent und Literaturexperte
Philipp Tingler, Schriftsteller
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