CDs: Jazz/World/Sounds
JAZZ Yves Theiler: Theilerbox The Stone (yvestheiler.com)
Knapp 32-jährig überrascht Yves Theiler mit einem ersten Rückblick auf sein intensives und vielfältiges Schaffen. Die «Theilerbox» umfasst jene 12 CDs, die der herausragende Zürcher Pianist seit 2007 mit eigenen Bands eingespielt hat. Sie bietet ein schillerndes Panorama des aktuellen Schweizer Jazzschaffens. (fn)
SOUNDS Nick Cave and the Bad Seeds: Ghosteen (Rough Trade Records 2019)
Mit «Ghosteen» schliesst Nick Cave eine Trilogie für seinen tödlich verunfallten Sohn ab. Cave und seine Band sind seit 1983 bekannt für melancholischen Ambient-Rock. Die riesige Cave-Fan-gemeinde wird das neue Album beglücken, weil es auch Hoffnung geben soll, wie der australische Rockmusiker betont. (fn)
SOUNDS Angel Olsen: All Mirrors (Jagjaguwar 2019)
Der Indie-Folkrock der US-Künstlerin Angel Olsen hat sich auf ihrem fünften Album «All Mirrors» zum tendenziell Bombastischen, Opulenten und Hymnischen gewandelt, mit Synthie-Flächen und Orchester. Man nennt es «Wall of Sound». Die für ihr Debüt vor acht Jahren gross gefeierte Sängerin ist zu Neuem aufgebrochen. Geblieben sind der eigensinnige Ausdruck und die nachdenklichen Lyrics der 1987 Geborenen. Man kann es mit Gewinn hören. (hau)
WORLD Habib Koité: Kharifa (Broken Silence 2019)
Es ist erst das sechste Studioalbum des malischen Sängers und Gitarristen Habib Koité seit 1995. Viele Gäste machen mit auf «Kharifa», das im heimatlichen Bamako eingespielt wurde: Habibs Sohn Cheick Tidiane, Prominenz wie Toumani Diabaté, Amy Sacko und andere. Einmal mehr finden bei Koité das Gestern und das Heute, das Alte und das Neue zueinander. (hau)
CDs: Klassik
Delphine Galou: Vivaldi. Arie e cantate per contralto – Accademia Bizantina, Ottavio Dantone (Naive 2019)
Hinein in rasende Arien und kühne Kantaten! Die Altstimme der Französin Delphine Galou grollt, funkelt, lärmt, tobt – und immer liegt da ein dickes Fell über dem Klang, das aber nicht dämpft, sondern die Pracht wundersam dunkel und kraftvoll filtert. Die Spezialisten der Accademia Bizantina führen unter Ottavio Dantone den Geist, der aus dieser Stimme spricht, grossartig weiter. (bez)
Heinz Holliger, György Kurtag: Zwiegespräche (ECM 2019)
80 Jahre alt ist Komponist, Dirigent und Oboist Heinz Holliger im Frühling geworden und entlockt seinem Holzblasinstrument immer noch wundersam warme Töne. «Zwiegespräche» ist der Name des Albums, auf dem Werke des Schweizers und des Ungarn György Kurtag (*1926) zu entdecken sind – die «Brüder» ehren sich gegenseitig. (bez)
Reto Bieri and Meta4: Quasi morendo. Brahms, Pesson, Sciarrino (ECM 2019)
In Davos wird man noch lange von Reto Bieri sprechen, hat der Klarinettist doch das Young- Artists-Festival über Jahre geprägt. 2018 war seine letzte Ausgabe, nun widmet er sich wieder seinen eigenen Projekten. Für ECM hat er ein typisches Bieri-Programm eingespielt: stimmungs- und geheimnisvoll, voller Verbindungen und Übergänge vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart. (bez)
Mieczyslaw Weinberg: Sinfonien 2 & 21 Mirga Grazinyte-Tyla (DG 2019)
Auch wenn sie Alben einspielt, macht Mirga Grazinyte-Tyla (*1986) keine Kompromisse – erste Dirigentin, die von der Deutschen Grammophon mit einem Exklusivvertrag bedacht wurde, hin oder her. Statt irgendwelcher Nettigkeiten spielt die Litauerin Werke von Mieczyslaw Weinberg (1919–1996) ein: die Sinfonien Nr. 2 von 1945 und Nr. 21 aus dem Jahr 1991. (bez)
DVDs
Nadine Labaki: Capernaum
126 Minuten (Altamode 2019)
Zain verklagt seine Eltern, «weil sie mich auf die Welt gebracht haben». Dazu sieht sich der 12-jährige Knabe aus Beirut gezwungen, weil seine Familie stetig wächst und gleichzeitig im Elend versinkt. Zain reisst aus, findet Unterschlupf bei Rahel. Doch sein Glück ist von kurzer Dauer. Nadine Labakis parabelhafter Film erhielt den Jury-Prix in Cannes. (fn)
Barry Jenkins: If Beale Street Could Talk
114 Minuten (Ascot Elite 2019)
Eine märchenhaft poetische Verfilmung des Romans von James Baldwin von 1974, inszeniert von Oscar-Preisträger Barry Jenkins. Es ist die Geschichte von schierem Unrecht und von einer grossen Liebe. Das Unrecht geschieht in den 1970ern an Menschen mit dunkler Hautfarbe. Der Film berührt; und am Ende ist alles auch eminent politisch. (hau)
Gustav Möller: The Guilty
85 Minuten (Ascot Elite 2019)
Mit minimalen Mitteln wird in diesem Thriller Spannung aufgebaut: Ein Polizist in einer Notrufzentrale in Kopenhagen erhält einen Anruf von einer verstörten Frau und versucht, ihr zu helfen. Allein durch die Stimmen am Telefon und die Mimik des Schauspielers Jakob Cedergren wird das Kopfkino angeregt. Fesselndes Kammerspiel über Schuld und Wahrheit. (bc)
Neil Jordan: Greta
98 Minuten (Ascot Elite 2019)
Die Mittzwanzigerin Frances kommt durch den «zufälligen» Fund einer Handtasche in der New Yorker U-Bahn in Kontakt mit der geheimnisvollen Greta (Isabelle Huppert) und gerät in deren Fänge. Ist Greta eine Hexe, eine Psychopathin? Der irische Regisseur Neil Jordan hat in guter alter Hitchcock-Manier einen schaurigen Thriller gefilmt. (hau)
Belletristik
Elif Shafak: Unerhörte Stimmen
432 Seiten (Kein & Aber 2019)
Die türkische Schriftstellerin Elif Shafak liefert mit ihrem Roman Gesellschaftskritik, Spannung und Unterhaltung in einem: Sie erzählt von fünf Aussenseitern in Istanbul, die ihre Ersatzfamilie in der Freundschaft finden. Eine berührende Geschichte und ein Plädoyer für die Toleranz in einer Gesellschaft, die immer mehr von rigiden Moralvorstellungen bestimmt wird. (bc)
Garry Disher: Hitze
278 Seiten (Pulp Master 2019)
Queensland, Australien: Der Profidieb Wyatt soll ein Gemälde stehlen. Nazi-Raubkunst. Wyatt schlittert in einen Fall voller Verrat, Sex und Gewalt. Bald hat er Verfolger auf den Fersen. Ein hochrasanter, heiss laufender Page-Turner. Nur Wyatt, der etwas altmodische Gauner, bleibt cool. Der 8. Wyatt-Krimi von Altmeister Garry Disher – einer seiner besten. (eb)
Rafik Schami: Die geheime Mission des Kardinals
432 Seiten (Hanser 2019)
Ein ermordeter Kardinal in einem Fass voller Olivenöl: Die Lieferung an die italienische Botschaft in Damaskus ruft zwei Ermittler auf den Plan – den syrischen Kommissar Barudi und Mancini aus Rom. Auf Mördersuche stossen die beiden auf viel Mysteriöses. Etwas überfrachtet, gibt der Krimi des Schriftstellers Rafik Schami doch einen spannenden Einblick in den Alltag Syriens vor dem Bürgerkrieg. (sch)
Graphic Novel: Andreas Müller-Weiss – Der Pavillon
72 Seiten (Edition Moderne 2019)
Andreas Müller-Weiss verbindet in der Graphic Novel die turbulente Geschichte des Pavillon Le Corbusier mit einem Mordfall an der Côte d’Azur, den eine Studentin mit dem Haus in Zürich in Verbindung bringt. Der Zeichner greift dabei gekonnt auf die Farbpalette des berühmten Architekten zurück. (sk)
Sachbücher/Biografien
Alexandre Dumas: Das grosse Wörterbuch des Kochens
680 Seiten (Mandelbaum 2019)
Der «Musketiere»-Autor verstand in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts das Kochen als Spiegel des aufstrebenden Bürgertums. Er sammelte für sein lexikalisches Kochbuch rund 1300 Rezepte, etwa die französische Zwiebelsuppe mit sehr viel Hartkäse. Für kulinarisch-literarisch Interessierte. (hü)
Alberto Angela: Kleopatra
511 Seiten (Harper Collins 2019)
Der italienische Paläontologe Alberto Angela belegt, dass sich nach 2000 Jahren die Persönlichkeit einer historischen Figur plausibel rekonstruieren lässt. Er stellt die Königin von Ägypten in einen überzeugenden zeitgeschichtlichen Kontext: Eine Frau, die sich gegenüber machtbesessenen Männern durchzusetzen weiss – und schliesslich verliert. (hü)
Markus Müller (Hg.): Im Rausch der Farbe
160 Seiten (Wienand 2019)
Von Gauguin bis Matisse – rund 70 Meisterwerke der grössten Maler der französischen Moderne vom späten 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert sind hier versammelt. Die Arbeiten stammen aus der Kunstsammlung des französischen Textilmagnaten Pierre Lévy. Mit Werken von Rodin, Degas oder Braque verspricht der Band einen betörenden Farbenrausch. (hü)
Juliane Streich (Hg.): These Girls – Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte
344 Seiten (Ventil 2019)
50 Jahre nachdem Aretha Franklin «Respect» forderte, ist das Musikgeschäft noch immer männerdominiert. Dabei gäbe es genügend weibliche Vorbilder. In gut 100 persönlichen Texten schreiben Journalistinnen, Fans und Freunde über prägende Musikerinnen und Künstlerinnen, die dem Feminismus ein neues Gesicht gaben. (sk)
Hörbücher
Axel Hacke/Ursula Mauder: Wozu wir da sind. Songs und Geschichten über das Leben 2 CDs
154 Minuten (Kunstmann 2019)
Die Texte aus dem jüngsten Buch des bekannten Autors Axel Hacke gibt es als reines Hörbuch oder zusammen mit der Songschreiberin Ursula Mauder, samt Band. Hackes Geschichten werden mit eigenständigen Liedern ergänzt und vertieft, sodass das Leben einen eigenen Sound erhält. (hau)
Eugen Ruge: Metropol
749 Minuten (Argon 2019)
Der deutsche Autor Eugen Ruge, 1954 im Ural geboren, schreibt in «Metropol» seine Familiengeschichte in Romanform weiter. Er erzählt von seinen 1936 auf der Flucht vor den Nazis emigrierten kommunistischen Grosseltern in Moskau. Hier herrscht der stalinistische Terror. Aus Geschichte macht Ruge Literatur. Schauspieler Ulrich Noethen liest die ungekürzte Fassung des grossen Romans zusammen mit Ulrike Krumbiegel. (hau)
Sasa Stanisic: Herkunft
339 Minuten (Der Hörverlag 2019)
Mit beflügelnder Fantasie und Tragikomik erzählt der deutsch-bosnische Autor Sasa Stanisic in seinem Roman die Geschichte seiner Familie aus Exjugosla-wien – und beleuchtet Migration, Heimat und Zugehörigkeit. Das Hörbuch liest der mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnete Schriftsteller mit seinem rollenden «R» gleich selbst – authentisch und herzerwärmend. (bc)
Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall
443 Minuten (Diogenes 2019)
Fünf Frauen aus der ehemaligen DDR mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen stehen im Mittelpunkt des packenden Romans. Sie versuchen, den Ansprüchen des modernen Lebens gerecht zu werden, und scheitern doch manchmal. Im Hörbuch werden die fünf Perspektiven stimmig gelesen von Bibiana Beglau, Maren Eggert, Jeanette Hain, Nina Kunzendorf und Anna Schudt. (bc)