Was treibt eine glücklich verheiratete junge Mutter dazu, eine ältere Frau mutwillig in eine Baugrube zu stossen – und zu töten? In ihrem neuen Roman «Von Vögeln und Menschen» geht die niederländische Bestseller-Autorin Margriet de Moor mit psychologischem und erzählerischem Geschick dieser Frage nach. Im Wechsel der Perspektiven, Stilmittel und Zeitebenen entwirrt sie nach und nach die Fäden: Denn in der Mörderin Maria Lina wohnen zwei Seelen: «Ein ruhiger, normaler Wille wie bei jedem Menschen und ein dunkler, rasender, ebenfalls wie bei jedem Menschen, den sie allerdings schon seit Jahren wie einen riesigen Seesack mit sich herumschleppte …»
Zu Unrecht wegen Mordes verurteilt
Als Neunjährige musste Maria Lina mitansehen, wie ihre Mutter Louise verhaftet und für einen Mord verurteilt wurde, den sie nicht begangen hatte. Die Wut über diese Ungerechtigkeit gärt in der Tochter und lässt ihr keine Ruhe, bis sie sich an der wahren Mörderin gerächt hat. Bis dahin führt sie ein beschauliches Leben mit ihrem Mann, der auf dem Flughafen als Vogelvertreiber arbeitet, und dem gemeinsamen Sohn.
Margriet de Moor leuchtet, teilweise im sanften Märchenton, in menschliche Abgründe: Sie spielt mit den Möglichkeiten, wie Menschen zu denen werden, die sie sind. Der Rache-Mörderin stellt sie die Mörderin aus Habgier gegenüber: Die Fusspflegerin Klazien, aufgewachsen unter prekären Bedingungen, verspürt nach dem Mord an einem alten Herrn keine Reue. Sie übt sich in der «Kunst des Vergessens» und geht bald wieder ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Dass eine andere Frau für ihre Schuld büsst, kommt ihr gelegen – bis zu dem Tag, an dem sie deren Tochter begegnet.
Die Musikerin, Filmemacherin und Schriftstellerin Margriet de Moor lässt in ihrem raffiniert konstruierten Roman vieles offen. Wie es dazu kam, dass die sanftmütige Louise einen Mord gesteht, mit dem sie nichts zu tun hat, erklärt sich nicht allein dadurch, dass die Verdächtige im Verhör immensem Druck ausgesetzt war. Gerade durch diese Leerstellen entsteht im Roman ein Spannungsverhältnis. Die Autorin zeigt, wie nahe in jedem Menschenleben Zartheit und Gewalt, Idylle und Abgrund liegen können.
Lesung an den Solothurner Literaturtagen
Fr, 11.5., 18.00 Landhaussaal
Buch
Margriet de Moor
Von Vögeln und Menschen
Übersetzt von Helga van Beuningen
272 Seiten
(Hanser 2018)
Solothurner Literatur- tage am Radio
Radio SRF sendet aus der «Cantina del vino» am Landhausquai live von den Solothurner Literaturtagen. Eine Auswahl:
Fr, 11.5.
Kontext-Debatte: Der Irak, Syrien, die Flüchtlinge und wir
Gäste: Najem Wali, Amira Hafner Al Jabaji, Reinhard Schulze
09.00–10.00 Radio SRF 2 Kultur
Franz Hohler
Tagesgespräch
13.00–13.30 Radio SRF 1
Begegnungen in Solothurn
Gäste: Regula Portillo, Christian Haller
17.00–17.30 Radio SRF 2 Kultur
So, 13.5.
52 Beste Bücher: Anna Felder
11.00–12.00 Radio SRF 2 Kultur
Musik für einen Gast: Bänz Friedli
12.35–13.45 Radio SRF 2 Kultur
BuchZeichen: Yael Inokai, Arno Camenisch
14.00–15.00 Radio SRF 1