Literatur-App: Mit dem Handy ins Jahr 1940
Die App «Bux» führt auf Entdeckungstouren an Zürichs literarische Schauplätze: Der kulturtipp hat den digitalen Stadtführer getestet.
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Kulturtipp 17/2017
Babina Cathomen
Die Tour «Von Krieg, Exil und Theater» beginnt beim Schauspielhaus Zürich. Hier wird die mit Kopfhörern ausgestattete App-Nutzerin ins Jahr 1940 zurückversetzt. Auf dem Bildschirm erscheinen die Schauspieler Graziella Rossi und Helmut Vogel, die Anne Cuneos Roman «Schon geht der Wald in Flammen auf» vorstellen – direkt am Ort des Geschehens. Im Pfauen fand die Hauptfigur Ella Berg, eine jüdische Emigrantin, im Frühling 1940 einen Zuflucht...
Die Tour «Von Krieg, Exil und Theater» beginnt beim Schauspielhaus Zürich. Hier wird die mit Kopfhörern ausgestattete App-Nutzerin ins Jahr 1940 zurückversetzt. Auf dem Bildschirm erscheinen die Schauspieler Graziella Rossi und Helmut Vogel, die Anne Cuneos Roman «Schon geht der Wald in Flammen auf» vorstellen – direkt am Ort des Geschehens. Im Pfauen fand die Hauptfigur Ella Berg, eine jüdische Emigrantin, im Frühling 1940 einen Zufluchtsort, weil sie an «Faust I und II» mitwirkte: Das Haus leistete in der NS-Zeit Widerstand, indem es Klassiker sowie in Deutschland verbotene Stücke aufführte – und jüdischen Theaterschaffenden ein Exil bot. Das erfährt die App-Nutzerin über Videoeinspielungen und eingeblendete Textstellen.
Via GPS-Signal lotst einen die klar strukturierte App an weitere Schauplätze von Cuneos Roman: Etwa zu Ellas Wohnung gleich ums Eck, in der nur per Münzeinwurf warmes Wasser floss. Andere Stationen beschäftigen sich mit der Autorin Anne Cuneo (1936–2015), die als Brückenbauerin zwischen Deutschschweiz und Romandie galt. Sie wohnte gegenüber der «Bodega Española» im Niederdorf, wo die App eine Tapas-Pause empfiehlt. Später belauscht die Spaziergängerin auf einer Parkbank ein fingiertes Gespräch des Theaterdirektors mit dem Stadtpräsidenten, in dem er bedauert, dass seine Techniker ins Militär einrücken müssen. Und in der Gasse hinter dem Kunsthaus, wo früher das Café Ost als Treffpunkt der Schauspieler diente, ertönt eine historische Nachrichtensendung von Radio Beromünster: Sie zeugt von der zunehmenden Bedrohungslage für die damalige Schweiz.
Die rund einstündige Tour eröffnet einen überraschenden Blick auf die Stadt, führt durch unbekannte Gassen und sorgt für ein multimediales Literaturerlebnis. Vertiefte Einsichten sind in der kurzen Zeit zwar nicht möglich, und einige technische Spielereien dienen nur der Unterhaltung. Aber die Info-Häppchen zu politischen, historischen und biografischen Hintergründen machen neugierig auf mehr – nach der Tour lässt sich schliesslich alles offline im Roman nachlesen.
Zehn weitere Rundgänge führen etwa auf die Spuren von Urs Widmers «Der blaue Siphon» oder der Dadaisten. Im Fall von Thomas Meyers «Wolkenbruch» u.a. begleiten einen die Autoren per Videobotschaft gleich selbst an die Schauplätze. Eine weitere Funktion ermittelt per GPS lohnenswerte Kulturorte in der Nähe. In Planung sind Touren in anderen Städten und eine Android-Version.
App
Bux
Im App Store kostenlos zum Runterladen, nur für iPhones