Lisa Arters Zeigefinger ruhen für einen Moment auf den Wangen und deuten auf ihre Augen. Als wolle sie ihrer Aussage von eben Gewicht verleihen: «In der Gebärdensprache muss ich meinem Gegenüber die ganze Zeit in die Augen schauen.» Mit jeder Fremdsprache lernen wir nicht nur Vokabeln, sondern erhalten bisweilen auch einen neuen Blick auf die Welt. Auf sprachliche Eigenheiten, die auf Notwendigkeiten beruhen. So fiel Arter schon früh auf, wie essenziell der Augenkontakt in der Gebärdensprache ist. Denn diese Sprache ist ein dreidimensionales System aus Handposition und -bewegung, Oberkörperhaltung, Mimik und den Augen.
Lisa Arter ist eine von fünf Gebärdensprachdolmetscherinnen der Stiftung Procom, die neu die SRF-Sendung «Einstein» dolmetschen. Das Gespräch mit ihr findet über Zoom statt; Arter sitzt in einer dicken Strickjacke vor ihrem Computer und trinkt Tee aus einer gepunkteten Tasse. Auf ihren ersten Einsatz für «Einstein» blicke sie mit positiver Aufregung, erzählt sie. Denn anders als bei üblichen Aufträgen spreche sie beim SRF nicht zu einem Gegenüber, sondern in die Kamera. Auch das lineare Tempo sei ungewohnt: «Ich kann nicht einfach mittendrin unterbrechen, wenn etwas unklar ist.» Seit drei Jahren arbeitet Arter bereits als Gebärdensprachdolmetscherin. Ein Ethnologie-Seminar über ugandische Gebärdensprache hatte ihr Interesse geweckt. Also schrieb sie sich nach ihrem Studium für den Bachelor Gebärdensprachdolmetschen an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich ein.
Gut übersetzen heisst, im Moment zu sein
Was am Beruf gleichzeitig herausfordernd und spannend ist: Man liest sich in neue Themen ein, passt sich an immer neue Gesprächssituationen an, muss das richtige Mass an Zurückhaltung finden. Zu Beginn sei das auch mit einem gewissen Druck verbunden gewesen: «Ich habe eine Chance, eine gute Verdolmetschung zu liefern. Also muss ich nach jedem Einsatz reflektieren können: Was war gut, was kann ich besser dolmetschen?» Gut dolmetschen – das heisse auch, im Moment zu sein. Dabei half ihr ihre grosse Passion, das Singen. «Gerade am Anfang habe ich beim Dolmetschen für die Konzentration mit Atmen gearbeitet», sagt sie.
Auch ihrer Bühnenerfahrung als Sängerin ist es vielleicht geschuldet, dass sich Lisa Arter über das grössere Publikum der Sendung «Einstein» nicht gross Gedanken zu machen scheint. Stattdessen sagt sie, sie freue sich vor allem auf die Zusammenarbeit mit den gehörlosen Fachpersonen, die bei Procom für die Qualitätssicherung zuständig sind. Das A und O ihres Berufes sei es schliesslich, mit einem stimmigen, visuellen Sprachbild zu dolmetschen, sagt Arter – und verwendet das Wort «geschmeidig». Geschmeidig – sollte das nicht unser aller Anspruch in der Kommunikation sein?
Einstein für Gebärdensprache
So, 23.1., 10.50 SRF Info
Lisa Arters Kulturtipps
Buch
Kübra Gümüsay: Sprache und Sein (Hanser 2020)
«Ein fantastisches und augenöffnendes Buch darüber, wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst.»
Pop-up-Bistro
Café des Signes
«Ein Begegnungsort für gehörlose und hörende Menschen, wo man die Gebärdensprache kennenlernen und direkt selber üben kann.»
www.cafedessignes.wixsite.com
Neue Termine werden jeweils über Facebook bekanntgegeben.
Musik
Lido Pimienta: Miss Colombia
«Dieses Album habe ich seit Beginn der Pandemie rauf und runter gehört; diese Musik brachte durch die bunten und sinnlichen Harmonien sehr viel Stärke in den teils nicht einfachen Alltag.»