Liebestrunken
In ihrem neuen Buch «Vabanque» beschreibt die 88-jährige Autorin Mix Weiss ihre ungewöhnliche, aber wahre Liebesgeschichte.
Inhalt
Kulturtipp 01/2013
Babina Cathomen
Beim Glücksspiel Vabanque setzt der Spieler alles auf eine Karte. So handelt in den 1970ern auch die Redaktorin Julieta, als sie dem Zigeuner Vladimir begegnet. «An jenem Frühlingsabend blieb mein altes Ich in einem Zürcher Speiselokal zurück. Wie ein zu eng gewordenes Kleid», notiert Julieta in ihrem Journal. Das ungleiche Paar stürzt sich in eine wilde Liaison: Der heimatlose Vladimir mit dem «von tausend Gewittern gegerbten, von zehntausend B...
Beim Glücksspiel Vabanque setzt der Spieler alles auf eine Karte. So handelt in den 1970ern auch die Redaktorin Julieta, als sie dem Zigeuner Vladimir begegnet. «An jenem Frühlingsabend blieb mein altes Ich in einem Zürcher Speiselokal zurück. Wie ein zu eng gewordenes Kleid», notiert Julieta in ihrem Journal. Das ungleiche Paar stürzt sich in eine wilde Liaison: Der heimatlose Vladimir mit dem «von tausend Gewittern gegerbten, von zehntausend Blitzen versehrten Gesicht» und die zarte Julieta mit ihrem bis anhin geordneten Leben. Vladimir ist ganz anders als alles, was die rund 50-jährige Julieta bisher erlebt hat: Wild, unberechenbar, leidenschaftlich, ein grandioser Geschichtenerzähler, zärtlich und grausam zugleich, schwankend zwischen Genie und Wahnsinn.
Vladimir nistet sich in ihrer Dreizimmerwohnung ein; schon bald lassen Rotweinflecken, Zigarettenlöcher und die frei fliegenden Zebrafinken Filou und Cléo Julietas geordnetes Heim im Chaos versinken. Julieta schwankt zwischen Albtraum und Siebtem Himmel, Vladimir liebt «bedingungslos, mit totalitärem Anspruch». Schliesslich findet er gar eine kurzzeitige Beschäftigung. Unter dem Titel «Die Söhne des Windes» veröffentlicht er im Dezember 1977 im «Magazin» einen Text über das Zigeunerleben und seine Erfahrung mit
den Behörden, die ihm nach dem Tod seiner zweiten Frau vier Kinder weggenommen haben. Und hier bricht der Roman ab, endet die Amour fou mit Julieta.
Die freie Journalistin und Autorin Mix Weiss, die im hintersten Ecken des Tessins in Meride lebt, hat mit diesem Buch ihre eigene Geschichte zu Papier gebracht. «Alles ist genauso geschehen, so unwahrscheinlich es klingt», sagt die inzwischen 88-Jährige, die ihren Debütroman «Kupferblues» mit 76 Jahren veröffentlicht hat. Geschrieben ist das Journal in einer eigenen Sprache, die sich traumtänzerisch ihren Weg sucht. Witz und Leidenschaft sprühen aus den knappen, oft mit Ausrufezeichen versehenen Sätzen.
[Buch]
Mix Weiss
«Vabanque – Journal einer Amour fou»
145 Seiten
(Bilger 2012).
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