Lieber leben als dienen
Im Film «The Second Mother» der Brasilianerin Anna Muylaert gerät bei einer aufopfernden Haushälterin in São Paulo einiges in Bewegung – beruflich und privat.
Inhalt
Kulturtipp 17/2015
Urs Hangartner
Sie ist mehr als eine Bedienstete. Val ist ausser Haushälterin auch Kindermädchen, in dieser Funktion gar so etwas wie Mutterersatz für Fabinho, den einzigen Sohn ihrer Arbeitgeber. Seit zehn Jahren waltet Val als gute Seele im Haus einer bessergestellten Mittelstandsfamilie in der brasilianischen Stadt São Paulo.
Eines Tages erhält Val (Regina Casé) die Nachricht, dass ihre Tochter Jessica (Camila Márdila) nach São Paulo kommt. Mehr a...
Sie ist mehr als eine Bedienstete. Val ist ausser Haushälterin auch Kindermädchen, in dieser Funktion gar so etwas wie Mutterersatz für Fabinho, den einzigen Sohn ihrer Arbeitgeber. Seit zehn Jahren waltet Val als gute Seele im Haus einer bessergestellten Mittelstandsfamilie in der brasilianischen Stadt São Paulo.
Eines Tages erhält Val (Regina Casé) die Nachricht, dass ihre Tochter Jessica (Camila Márdila) nach São Paulo kommt. Mehr als zehn Jahre hatten die beiden keinen Kontakt. Jetzt will Jessica die Aufnahmeprüfung für die Uni machen; Val darf ihre Unterkunft im Haus mit ihr teilen: eine bessere Besenkammer mit Platz für eine Matratze. Bald zieht Jessica in das komfortable Gästezimmer um. Denn an Selbstbewusstsein mangelt es ihr nicht. Sie isst mit der Familie, nascht von der reservierten Glacé im Kühlschrank und wagt es gar, den Swimmingpool zu benützen. Das alles passt den Arbeitgebern nicht. Aber auch Val nicht, und Tochter Jessica muss sich eine eigene Wohnung suchen. Erst jetzt finden die beiden Frauen richtig zusammen.
Starke Bindung
Val fasst schliesslich einen gewagten Entscheid – sie kündigt. Jessica besteht die Aufnahmeprüfung im Gegensatz zu Fabinho, der bei derselben Prüfung durchfällt. Zum Schluss entdeckt Val unter Jessicas Büchern zufällig ein familiäres Geheimnis. Es wird Mutter und Tochter noch stärker miteinander verbinden.
Regisseurin und Drehbuchautorin Anna Muylaert hat einen realistischen, alltagsnahen Ansatz für ihre Familiengeschichte gewählt. Sie blickt in gegensätzliche private Welten und zeigt ein treffliches Bild der sozialen Lage in einer Grossstadtgesellschaft.
Beim diesjährigen Independent-Film-Festival Sundance in Utah haben Regina Casé und Camila Márdila gemeinsam den Schauspielpreis erhalten. In Berlin gab es für den Film im Februar den Publikumspreis.
The Second Mother
(Que horas ela volta?)
Regie: Anna Muylaert
Ab Do, 13.8., im Kino