Sol Gabetta trägt die Sonne sinnbildlich in ihrem Namen. Spielt sie den zweiten Satz aus Peteris Vasks’ «Gramata cellam» – einen Abschiedsgesang mit Oberstimme –, glaubt man, einen Engel zu hören. Die 32-jährige Musikerin schafft es, mit ihrem Spiel und Wesen tief zu berühren: «Wahrscheinlich gefällt den Menschen meine Natürlichkeit. Ich mag es nicht, als Star bewundert zu werden. Ausstrahlung lässt sich nicht lernen.»
Ureigene Interpretin
Wer Sol Gabetta hört, merkt schnell, dass da jemand Ureigenes ausdrücken will; sei es in der idyllisch intimen Kirche an ihrem Wohnort Olsberg AG oder in einem grossen Konzertsaal! Sie gibt jedem Konzertbesucher das Gefühl, eine einzigartige, nicht wiederholbare Darbietung zu hören. Darin ist sie der Opernsängerin Cecilia Bartoli ähnlich. Spielt Gabetta Bach oder Schostakowitsch, hat der Hörer den Eindruck, dass sie es 48 Stunden später völlig anders machen würde. Sie nimmt den Gedanken als Kompliment auf: «Musik ist wie wir Menschen: Wir interpretieren, was ein Komponist geschrieben hat, durch unsere Fähigkeiten. So zeigen wir in jedem Auftritt unsere Persönlichkeit – das ist etwas vom Interessantesten am Musikmachen.» Gewisse Musiker spielten immer gleich perfekt. Das sei eine grosse Kunst, sie könne das nicht, auch wenn sie wollte: «Ich bin sehr spontan, finde es besser, wenn ein Musiker mit Risiko Neues ausprobiert, da jedes Konzert ein Erlebnis sein muss. Ich spiele und weiss nie, ob es wieder so sein wird.»
Solche Aussagen sind keine leeren Phrasen; nicht in jedem Konzert gelingt ihr nämlich alles. Gerade einer ihrer wichtigsten Auftritte war nicht perfekt, das Crédit-Suisse-Artist-Award-Konzert mit den Wiener Philharmonikern in Luzern.
Breites Repertoire
Zufall? «Technische Fehler gehören zum Zufall. Aber der Rest ist Musikalität – das ist eine Aneinanderreihung von musikalischen Momenten.» Und doch will sie die Fehlerquote mit dem Feilen an der Technik naturgemäss verkleinern, aber dabei ihre spielfreudige Musikalität nicht verlieren. Reflektierend sagt sie: «Ich bin in einer Balance – kontrolliert, aber nicht begrenzt.»
Wer das Konzert-Repertoire Sol Gabettas überfliegt, erkennt zwar, dass die Cello-Klassiker des 18. und 19. Jahrhunderts präsent sind. Aber man entdeckt auch Werke des 20. und 21. Jahrhunderts: Musik der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina, des Japaners Toshio Hosokawa oder des Komponisten und Dozenten Wolfgang Rihm.
Typisches Signal
Die Bereitschaft, im Konzert alte wie Neue Musik zu spielen, macht eine Musikerin noch nicht zur Kulturvermittlerin. CD-Einspielungen gehören da-zu. Im Jahr 2008 erschienen zwei neue CDs von Sol Gabetta. Sie zeigten eine grosse Spannweite von unterhaltender zu anspruchsvoller Klassik: Hier Werke von Dmitrij Schostakowitsch, da eine CD voller Opernarien und Volkslieder – hier also die fordernde Musik des 20. Jahrhunderts, da die populäre Wunschkonzert-Schiene.
Alle ihre CDs schaffen den Sprung in die deutschen Longplay-Charts aber am besten verkauften sich ihre Cello-Konzerte von Antonio Vivaldi. Diese Aufnahme war ein typisches Gabetta-Signal. Die Barock-CD entstand 2007, als alle Welt dachte, dass diese klassische Cellistin heranwachse, um die Cello-Schlachtrösser zu meistern: Dvorak, Haydn, Schostakowitsch. Das Vivaldi-Projekt war aber alles andere als ein modischer Barock-Schnellschuss. Gabetta hat nämlich nicht einfach einen Barock-Bogen in die Hand genommen und Darmsaiten auf ihr Cello gespannt, sondern sich in die barocke Welt hineingedacht.
Musik im Blut
Diese Cellistin hat es im Blut, vielerlei zu verkörpern: In Argentinien als Tochter französisch-russischer Eltern 1981 geboren, in Spanien, Frankreich und in Basel hat sie lange gelebt. Jetzt ist sie in den klingenden Konzertsälen der Welt ebenso zu Hause wie im stillen aargauischen Olsberg, das sie mit Überzeugung «Heimat» nennt.
Progetto Vivaldi
Fr, 20.12., 19.30
Landgasthof Riehen BS
Weihnachtskonzert, Generalprobe
Sa, 21.12., 19.00
Stadttheater Olten
Weihnachtskonzert
So, 22.12., 17.00
Zürich Tonhalle
Di, 14.1.2014, 19.30 Uhr
St. Gallen Tonhalle
Mi, 15.1.2914, 19.30 Uhr
Genf Victoria Hall
Do, 16.1.2014, 20.00 Uhr