Bissige Krimisatire aus Dublin
Pflegeheime gelten für gewöhnlich nicht als gefährliche Orte. Doch ausgerechnet in einem solchen wird Paul Mulchrone fast von einem sterbenden Rentner erstochen.
Als Mulchrone dann auch einem zweiten Mordanschlag nur knapp entkommt, stecken er, die krimibegeisterte Krankenpflegerin Brigit und der eigensinnige Kommissar Bunny McGarry plötzlich mitten in einem alten Kriminalfall.
«Bunny McGarry und der Mann mit dem Allerweltsgesicht» ist eine Krimikomödie des irischen Komikers, TV-Autors und Schriftstellers C. K. McDonnell. Der erste von mehreren Dublin-Krimis erschien bereits 2016 und liegt jetzt auf Deutsch vor. Ein wenig spürt man hier den Erstling: McDonnell tendiert zum Übererklären. Dennoch ist sein Debüt spannend. Und sehr lustig. Denn die irische Satire ist bekanntlich bissig und schonungslos. Polizei und Kirche, Chris de Burgh und die Provinzialität der Iren – bei McDonnell bekommen alle ihr Fett weg.
Dabei entführt der Autor seine Leser in ein Dublin jenseits der Touristenklischees. Eine Stadt, der kein Wirtschaftsaufschwung ihre Rauheit wegpolieren konnte.
C. K. McDonnell – Bunny McGarry und der Mann mit dem Allerweltsgesicht
445 Seiten (Eichborn 2023
Mord auf der Kanalinsel
Eine überschaubare Insel, ein Tyrann, der ermordet wird, und jede Menge Verdächtige: Anthony Horowitz hat wieder einen süffigen Krimi zum Miträtseln in klassischer Agatha-Christie-Manier geschrieben. Zum dritten Mal nimmt der Bestsellerautor sich selbst als Ich-Erzähler aufs Korn.
Denn als leicht beschränkter Assistent à la Dr. Watson begleitet er den scharfsinnigen Detektiv Daniel Hawthorne bei der Auflösung seiner Fälle, um über ihn zu schreiben. Diesmal verschlägt es die beiden an ein Literaturfestival auf die Kanalinsel Alderney, wo der unsympathische Mäzen an seiner eigenen Party ermordet wird.
Eine illustre Runde hat sich hier versammelt – und klar, alle haben ein Mordmotiv. Ein gemächlich-unterhaltsamer Krimi mit Humor und einer witzigen Metaebene, auf der Horowitz das eigene Schreiben reflektiert.
Anthony Horowitz – Wenn Worte töten
Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff 333 Seiten (Insel 2023)
Die düstere Seite Sardiniens
Das Meer leuchtet türkisfarben, ansonsten aber hält in diesem Krimi die Dunkelheit Einzug, so wie man es vor allem aus nordischen Thrillern kennt. P. G. Pulixi führt mit seinem preisgekrönten Buch tief hinein in die sardische Gesellschaft – von der offenen Hauptstadt Cagliari bis ins Landesinnere, in die felsige Barbagia, wo in gewissen Teilen patriarchale Traditionen und gewaltvolle Rituale herrschen. Ins Zentrum setzt er zwei vordergründig kaltschnäuzige Ermittlerinnen: die Sardin Mara Rais und ihre neue Mailänder Kollegin Eva Croce, Spezialistin für Ritualmorde.
Beide wurden zu den «Cold Cases» strafversetzt, denen sie sich anfangs nur widerwillig widmen. Ihr Interesse wird geweckt, als ihnen der todkranke Ispettore Barrali von zwei Frauenmorden aus den 70ern und 80ern berichtet:
Damals wurde bei nuraghischen Brunnentempeln – frühere Kultstätten – je eine Frauenleiche gefunden, bedeckt mit Schafsfellen und Tiermasken. Als nun eine 22-Jährige spurlos verschwindet, befürchten Rais und Croce, dass sich der Ritualmord wiederholen wird.
So stürzen sie sich in die Ermittlungen und werden mit immer finstereren Fakten konfrontiert. Autor Pulixi stattet diesen soghaften Krimi mit sardischen Ausdrücken, Gesellschaftskritik und wohltuend bissigem Humor aus, mit dem sich die Ermittlerinnen gegenseitig aufziehen.
P. G. Pulixi – Die Insel der Seelen
544 Seiten (Kampa 2023)
Rasanter Politthriller aus Frankreich
Frankreichs Präsidentin Nathalie Séchard schläft in der Eingangsszene mit ihrem viel jüngeren Mann. Dabei entscheidet sie, kein weiteres Mal zu kandidieren. Ihr Entschluss ruft zwei mögliche Nachfolger auf den Plan:
den konservativen Innenminister Beauséant und den grünen Umweltminister Manerville, einen Schlaks und alleinerziehenden Vater. Autor Jérôme Leroy zeichnet nun nach, wie Beauséant und sein Netzwerk rechtsextremer Eliten mit aller Gewalt nach der Macht greifen.
Das alles spielt nur knapp neben der Realität, was dem hochspannenden Politthriller Glaubwürdigkeit verleiht (Bild: Gelbweste in Paris). Leroy ist ein begnadeter Stilist. Mit leichter Hand wechselt der Autor (58) aus Lille zwischen Orten, Tonarten und Perspektiven, zieht das Tempo im richtigen Moment an, um es im nächsten zu zügeln.
Er spinnt behutsam einen weiteren Erzählstrang, der von einer Ménage-à-trois und zwei Freunden handelt. Sie tun alles, um Manervilles Tochter im Strudel der Gewalt das Leben zu retten. Der Leser hofft nur eins – dass wenigstens sie davonkommt.
Jérôme Leroy – Die letzten Tage der Raubtiere
396 Seiten (Edition Nautilus 2023)