Leopold Huber hat wohl einen der schönsten Arbeitsorte der Schweiz. Das See-Burgtheater in Kreuzlingen steht am lauschigen Ufer des Bodensees. Hier frönt der Intendant seit 1994 seiner Theaterpassion – zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin und Regisseurin Astrid Keller, mit der er drei Kinder hat.
Huber ist der geborene Geschichtenerzähler: Auf einer Bank am Seeufer berichtet der charmante Österreicher, der die Dame mit angedeutetem Handkuss begrüsst, mal mit flüsternder, mal mit donnernder Stimme aus seinem Leben. Aufgewachsen ist er mit sieben Geschwistern in einer Bauernfamilie in einem erzkatholischen Dorf in Oberösterreich. Ausser einer Bibel gab es in seinem Elternhaus keine Bücher. In Berührung mit der Kultur kam der Bub erstmals in der Kirche, wo er fasziniert war von den Ritualen, dem Glanz und dem Heiligen Bartholomäus. Dann entdeckte er in der Internatsbibliothek in Wien Camus’ Existenzialismus und auf den Stehplätzen im Burgtheater die Bühnenwelt. Die Leidenschaft für die Literatur und das Theater war entfacht. Als Schauspielschüler am Max Reinhardt Seminar traf er auf «das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe» und folgte seiner Schaffhauser Angebeteten – und heutigen Frau – für die Theaterarbeit nach St. Gallen.
Nach Jahren als Filmregisseur und Autor widmete er sich ganz der Bühne. Das See-Burgtheater will er mit «tragfähigen Geschichten» vielen Menschen zugänglich machen: «Wir haben zahlreiche Zuschauer, die sonst nicht ins Theater gehen. Bei uns sitzen die Professoren neben den Apfelbauern.» Dennoch eckt er manchmal an mit seinen Inszenierungen. Bei der «Schwarzen Spinne» etwa gab es nach einer Szene mit einem umgedrehten Kreuz einen Aufruhr. «Der Pfarrer musste predigen, man solle mir verzeihen», sagt er augenzwinkernd. «In der Provinz muss man mehr kämpfen – um finanzielle Mittel, um das Publikum und darum, dass man das machen kann, was man denkt.»
«Biedermann» subtil aufgefrischt
Durch das Plätschern der Wellen und das Möwengekreische dringt ein klopfendes Geräusch. Die Arbeiter bauen am Bühnenbild für «Biedermann und die Brandstifter»: Ein rosafarbenes Haus als knalliger Kontrast zum Blau des Sees – und als Zeichen für einen Biedermann, der mutig und modern sein will, aber nicht nur bei der Farbwahl seines Heims danebengreift. «Zuerst hatte ich den Verdacht, Frisch sei verstaubt», gesteht Huber. Aber dann hat er in seinen Texten nebst der Lebensweisheit unerwartet viel Komik entdeckt. Für einmal arbeitet der Regisseur absolut werkgetreu. So lässt er die Schauspieler keine Trump-Masken oder Islamisten-Bärte tragen, um auf die aktuellen Brandstifter zu verweisen, sondern inszeniert subtiler. Getreu seinem Motto: «Man soll den Leuten nicht das Denken abnehmen.»
Biedermann und die Brandstifter
Premiere: Do, 12.7., 20.30
See-Burgtheater Kreuzlingen TG
Leopold Hubers Kulturtipps
BUCH
Max Frisch: «Montauk» (1975)
Mit seiner klaren, genauen Sprache macht uns Max Frisch viele Einsichten bewusst, die wir in uns spüren. Unbedingt wieder lesen!
KULTURORT
Kult-X
Das Kreuzlinger Kulturzentrum ist auf Initiative von jungen Leuten entstanden und wird von der Stadt unterstützt. Da gibts Konzerte, Theater, Lesungen oder Filme. Ein Geheimtipp!
Programm: www.kult-x.ch
CD
Romobil: «Koteria»
Der legendäre Hackbrett-Spieler Töbi Tobler, der Akkordeonist Goran Kovacevic u.a. verbinden mit ihrer Band Romobil Roma-Musik aus dem Balkan und Appenzeller Volksmusik. Ihr Live-Auftritt hat mich begeistert.
www.romobil.ch