Lena Maria Thüring - Meine Kulturwoche
Inhalt
Kulturtipp 19/2012
Letzte Aktualisierung:
15.11.2013
Lena Maria Thüring
Ab Mitte September ist meine neue Video-Installation in der Ausstellung «Schlagwörter und Sprachgewalten» im Kunsthaus Baselland in Muttenz zu sehen: In einer Castingsituation sprechen Schauspieler die Songtexte von Popsongs als politische Reden. Diese Popsongs wurden in den letzten Jahrzehnten von amerikanischen Präsidenschaftskandidaten in ihren Kampagnen verwendet. So wählte Ronald Reagan den Antikriegssong «Born In The USA» von Bruce Springsteen. Der...
Ab Mitte September ist meine neue Video-Installation in der Ausstellung «Schlagwörter und Sprachgewalten» im Kunsthaus Baselland in Muttenz zu sehen: In einer Castingsituation sprechen Schauspieler die Songtexte von Popsongs als politische Reden. Diese Popsongs wurden in den letzten Jahrzehnten von amerikanischen Präsidenschaftskandidaten in ihren Kampagnen verwendet. So wählte Ronald Reagan den Antikriegssong «Born In The USA» von Bruce Springsteen. Der Protestsong von Woody Guthrie «This Land Is Your Land» wurde von George Bush sen. verwendet und zeigt bisweilen eine grosse Diskrepanz zwischen politischem Programm und Songtext auf. Musik ist für meine Arbeit wichtig, denn sie transportiert Emotionen. Jeder Mensch hat seine musikalische Biografie mit Stücken, die bei ihm Gefühle wecken. Ich liebe vieles von Bob Dylan über Gnarls Barkley und Regina Spektor bis Beck oder Jacques Brel.
Bücher sind für mich ständige Begleiter bei der Arbeit. Oftmals lese ich mehrere gleichzeitig, wie jetzt gerade Jack Kerouacs «On The Road» oder «Montauk» von Max Frisch. Ich mag die Romane der letztes Jahr verstorbenen Ungarin Agota Kristof sehr. Ihre knappe, messerscharfe Sprache hat eine grosse Kraft. Sie ist unsentimental und weckt deshalb umso mehr Emotionen. Ich wende mich auch gerne Sachbüchern zu, etwa Hannah Arendts «Über das Böse».
Bei Recherchen wie etwa für die neue Installation, welche die Verwendung von Popsongs in der Politik untersucht, fühle ich mich jeweils wie ein Schwamm. Ich sauge alles auf, ziehe alles in mich rein, um es irgendwie zu verarbeiten und künstlerisch umzusetzen. Ich lasse mich auch gerne von meiner Umgebung inspirieren, um mich mit etwas intensiv auseinanderzusetzen: So habe ich während meiner Zeit in New York fast alle Woody-Allen-Filme gesehen. Und als ich in Paris war, habe ich so ziemlich das gesamte Werk von Jean-Luc Godard angeschaut. Ich liebe auch die Poesie der Bilder des russischen Regisseurs Andrei Tarkowski.
Soeben bin ich von der Documenta in Kassel zurückgekehrt. Mich hat an dieser Schau besonders die Vermischung von Dokumentarischem und Fiktionalem interessiert. Das ist für meine Arbeit ein sehr wichtiges Thema. Ebenso spannend finde ich den Zusammenhang zwischen Individuellem und Gesellschaftlichem.
Auch damit werden die Besucher in Kassel konfrontiert. Am meisten beeindruckte mich an der Documenta Tino Sehgals Tanz-Performance «This Variation». Auch die Filminstallation «The Host and the Cloud» des Pariser Künstlers Pierre Huyghe ist stark oder der leise Wind, den der Engländer Ryan Gander durch die Hallen ziehen lässt. Er war übrigens vor zwei Jahren im Zürcher Haus Konstruktiv zu sehen.