Mühseliges Texten, nächtelange Proben und unzählige Stunden im Studio – trotzdem wandern am Ende Songs oft in den Korb. Nicht so bei Lea Lu. «Der Song ist zu mir gekommen», beschreibt sie den Moment, als das Stück «rabbit» vor eineinhalb Jahren aus dem Nichts auftauchte: abends im Schlafzimmer, ohne eine einzige niedergeschriebene Zeile. Losgelöst von Erwartungen setzte er den Grundstein für die neueste EP-Produktion.
Kurz zuvor hatte sich Lea Dudzik, wie Lu mit bürgerlichem Namen heisst, das nötige Equipment für ein rudimentäres Homestudio zugelegt. Neuland für die Singer-Songwriterin, die seit ihrem Erstling von 2009 immer Produzenten im Rücken hatte.
In 20 Minuten war der Song im Kasten
Lea Lu suchte die volle Freiheit, wollte ohne äussere Einflüsse experimentieren, Ballast abwerfen, tief in sich reinhören, statt nach draussen zu blicken. Die radikale Reduktion auf Stimme, Mikrofon und Computer war ein Schritt dazu. Spielerisch testete Lu die neuen Aufnahmemöglichkeiten, sang eine Bassstimme ein und legte eine Gesangsspur nach der anderen darüber. Herausgekommen ist ein vielstimmiger A-cappella-Klangteppich, über den sie einen Text improvisierte. Nach 20 Minuten war der Song «rabbit» im Kasten – und blieb bis heute unverändert.
Schon immer war Lus zarte und gleichzeitig fordernde Stimme ihr grösstes Kapital. Nun bringt sie diese in bis zu fünf Spuren zum Ausdruck. Sporadisch ergänzen zarte Gitarrenriffs und auf der Tischplatte getrommelte Percussions die improvisierten Songs. Ernst und zuweilen düster erzählt Lu von einer inneren Reise, die an Alice im Wunderland erinnert. «Unvermittelt lockten mich die Songs runter in die dunklen Ecken der Höhle und halfen mir, diese auszuleuchten», beschreibt Lu diesen Spiegel ihrer Gefühlswelt. Die intimen Songs waren Ausdruck und Verarbeitung zugleich, eine Veröffentlichung lange kein Thema. Nur zweimal gab sie zögerlich die Kontrolle ab und liess den befreundeten Schlagzeuger Claudio Strüby (Trio Rusconi) seine federleichten, jazzigen Drums beisteuern.
Nach drei Alben beim Major-Label Sony Music kam 2014 für Dudzik die Trennung: «Das Label wollte nach links, ich nach rechts. Meine neue Musik passte nicht mehr in die starren und trägen Strukturen.» Damit fiel jeglicher Druck von ihr ab – niemand erwartete mehr massentaugliche Radiohits.
Von knalligen Farben zu Grau-Weiss-Tönen
Die vielseitig Talentierte fokussierte wieder vermehrt auf das Unterrichten von Jazz- und Pop-Gesang und ihr Faible für Comics. Ohne künstlerischen Ausdruck geht nichts bei der Synästhetikerin, die Töne auch als Farben wahrnimmt. Leuchtete ihr sommerlich-leichter Songwriter-Pop mit seinen eingängigen Melodien noch in knalligen Farben, so nimmt sie ihre neue Produktion in Grau- und Weisstönen wahr.
Höchst sensibel und mit geschärften Sinnen hat Lea Lu viel zu verarbeiten. Comics zeichnen und neuerdings einen Roman schreiben helfen, doch an Songs führt kein Weg vorbei. Rund 2500 haben sich bisher angesammelt. 40 davon hat sie nun in Eigenregie eingespielt, sechs sind jetzt herausgekommen. Doch diese intimen Stücke zu teilen, verlangte ihr viel Mut ab. Ein Glück, hat sie ihrem Bauchgefühl vertraut.
Konzert
Do, 18.5., 21.00 Bogen F Zürich
EP
Lea Lu
rabbit
(LL records 2017).