Kein Zweifel: Dieser Konzertsaal katapultiert Lugano kulturell in die Oberklasse. Die Luganesi selbst machten es spannend mit der Eröffnung ihres 210-Millionen-Baus, die etappenweise erfolgte. Seit einem knappen Monat steht nun auch der Prunksaal offen, wo via Ludwig van Beethoven die Götterfunken sprühen durften.
Etwas unnötige Italianità brauchte es auch: Eine geschlagene Viertelstunde wartete man auf die Eröffnungsrede. Kaum waren die Worte verhallt, schritt Dirigent Vladimir Ashkenazy in den Saal und dirigierte dann die Landeshymne. Alles stand und hörte von Alberich Zwyssigs «Schweizerpsalm» erst eine hochglänzende Orchesterfassung mit dem Orchestra della Svizzera Italiana und alsbald dank dem Coro della Radiotelevisione Svizzera Italiana die salbungsvolle Wortfassung. Als man 1998 in Luzern das KKL eröffnete, erklang dagegen ein Werk des Deutschen Wolfgang Rihm. Die Tessiner sind die patriotischsten Schweizer.
Danach liess Vladimir Ashkenazy Beethovens weltumschlingende 9. Sinfonie erschallen. Sie sollte das LAC endgültig einweihen und gleichzeitig beweisen, dass Lugano nun über einen der besten Säle Europas verfügt.
Ideale Akustik
Sofort vergessen ist die da und dort gestellte Frage, ob der Saal zu klein sei: Er hat ein ideales akustisches Volumen, aber er bleibt mit seinen knapp 1000 Plätzen gerade noch intim. Der Klang kommt direkt und offen in den Saal, ist physisch spürbar. Beethoven geht hier ans Lebendige, ans Herz, reisst mit – wie er und die Musik all seiner Kollegen es in den berühmten goldenen Schuhschachtel-Sälen des ausgehenden 19. Jahrhunderts tun. Der LAC-Klang ist anders als im KKL, wo man oft aussenstehender Beobachter des Klangs bleibt. Die coole KKL-Distanz gibt es im LAC nicht, die Durchhörbarkeit im Orchesterdschungel ist selbst von der Balconata Fila B Posto 117 optimal. Die Ingenieure der Münchner Firma Müller-BBM haben zusammen mit Architekt Ivano Gianola bestens harmoniert.
Ist die Akustik gar zu offen, zu «positiv» tragend? Man kann es noch nicht wissen, denn Vladimir Ashkenazy ist nicht der feinfühlige Schwärmer: Seine Neunte ist forsch, trotzig schon im Eröffnungssatz, selbst im 3. Satz erhaben. Nach anfänglicher Nervosität folgte ihm das Tessiner Orchester im Geist bravourös. Grossartig für diese Formation, dass nun das LAC ihr Stammhaus wird.
Flügelhaft leicht
Famos, wie klar ein Flötensolo in den Rang leuchtet, ungeheuerlich, wie ein Cello-Bass-Unisono im Pianissimo hier seinen deutlichen Charakter zeigt. Spannend auch, die vier (berühmten) menschlichen Stimmen im Finalsatz zu hören. Sie breiteten sich flügelhaft leicht im Saal aus.
Die LAC-Sitze sind angenehm, das hellbraune Birnenholz bietet einen warmen Kontrast zu den kalten Zugangskorridoren. Per Knopfdruck wird übrigens aus der Konzert- eine Opernbühne mit Orchestergraben; die Luzerner Salle-Modulable-Idee ist hier verwirklicht. Erstaunlich bloss, dass selbst im fortschreitenden 21. Jahrhundert das Beleuchtungsproblem ungelöst bleibt: Die Scheinwerferansammlung über den Musikern ist grässlich. Und erstaunlich ist, dass sich zum Schluss, obwohl knapp 1000 Menschen im Saal sitzen, die Massen zäh zum Ausgang drängeln.
Auf der Piazza Bernardino Luini angekommen, ist der Blick zurück dafür atemberaubend: Die leuchtende, hohe Eingangshalle erinnert an die Metropolitan Opera in New York. Wer sich umdreht, sieht über dem See den Mond dem San Salvatore buona notte sagen. Wo gibt es Ähnliches auf der Welt?
«Lugano Musica» bietet ein spannendes Jahresprogramm. Mit den grossen Sinfoniekonzerten wirbt man selbstbewusst in Mailand. Stars wie Valery Gergiev, Bernard Haitink, Charles Dutoit und Yannick Nézet-Ségiun dirigieren in Lugano Orchester, die an der Scala nur selten zu hören sind, das macht das LAC für Mailänder attraktiv. Und nicht vergessen: Als Deutschschweizer sollte man den Saal noch vor den Mailändern sehen und erleben.
Informationen
www.luganolac.ch
www.luganomusica.ch
www.orchestradellasvizzeraitaliana.ch