«LA PIEL QUE HABITO» Buchstäblich unter die Haut gehend
Pedro Almodóvars neustes Werk ist ein klinischer Gruselfilm. Dafür ist Antonio Banderas nach 21 Jahren Hollywood zu seinem spanischen Entdecker zurückgekehrt: Für die Hauptrolle eines Wahnsinnigen.
Inhalt
Kulturtipp 20/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Regisseur Pedro Almodóvar wünscht ausdrücklich, dass im Sinne der Spannung die Auflösung der Geschichte und die Identität bestimmter Filmfiguren nicht verraten werden. Auch so bleibt noch genug Spannendes zum komplexen Werk des spanischen Meisters zu bemerken. Almodóvar selber nennt es eine «kafkaeske Geschichte», «eine Geschichte von extremer Rache».
Antonio Banderas spielt den erfolgreichen plastischen Chirurgen Dr. Robert Ledga...
Regisseur Pedro Almodóvar wünscht ausdrücklich, dass im Sinne der Spannung die Auflösung der Geschichte und die Identität bestimmter Filmfiguren nicht verraten werden. Auch so bleibt noch genug Spannendes zum komplexen Werk des spanischen Meisters zu bemerken. Almodóvar selber nennt es eine «kafkaeske Geschichte», «eine Geschichte von extremer Rache».
Antonio Banderas spielt den erfolgreichen plastischen Chirurgen Dr. Robert Ledgard, der eine künstliche Haut erfunden hat. Sein Forschungsresultat stellt er in einer Vorlesung seinen Kollegen vor. Diese zeigen Respekt, äussern aber gleichzeitig ihre medizinethischen Bedenken gegenüber dieser Erfindung.
Der genialische Ledgard betreibt eine Schönheitsklinik auf dem Anwesen «El Cigarral». Hier scheint er nur eine einzige Patientin zu betreuen: Vera (Elena Anaya). Sie lebt in einem goldenen Käfig, gefangen in einem Raum, in dem sie Yoga praktiziert und, inspiriert durch die Werke von Louise Bourgeois, eigene Kunst macht. Ihr Kontakt zur Aussenwelt beschränkt sich auf eine Gegensprechanlage. Dank dieser kann sie gelegentlich eine Wunschliste bei der Haushälterin deponieren. Nahrung und anderes erhält sie dann per Speiselift. Der Raum ist mit Überwachungskameras ausgestattet, Dr. Ledgard beobachtet seine Patientin auf einem riesigen Monitor.
Wer ist diese Patientin? Was ist ihre Geschichte? In welchem Verhältnis steht sie zu Ledgard? Von welcher Art ist das Experiment, das Ledgard mit der im hautfarbigen Body gekleideten Frau anstellt? Es sind Fragen, die im Laufe des Films allmählich Antwort finden: Grausige Tatsachen, die ans Licht kommen und «La piel qu e habito» («Die Haut, in der ich lebe») langsam, aber sicher zum klinischen Gruselfilm machen. Die Gegenwart bildet die erzählerische Klammer, während eine Rückblende («sechs Jahre zuvor») die Wahrheit mehr und mehr erkennen lässt. Was damals geschah, hat einen – Ledgard – offensichtlich zum Wahnsinn getrieben, oder den angelegten Wahnsinn schliesslich in einer Wahnsinnstat ausbrechen lassen.
«La piel que habito» ist voller Referenzen an die Filmgeschichte: Hitchcocks Identitäts-Thriller «Vertigo» wäre zu nennen, James Whales «Frankenstein», Georges Franjus «Les yeux sans visage». Und, soviel sei verraten, es gibt auch Anklänge an den Pygmalion-Mythos (der Bildhauer verliebt sich in die zum Leben erweckte Statue).
Antonio Banderas’ Erscheinen in einem Almodóvar-Film ist eine Rückkehr nach 21 Jahren: Eine Rückkehr aus Hollywood und eine zu jenem Regisseur, der ihn Anfang der 1980er-Jahre als Schauspieler entdeckte und ihn für fünf Film besetzte.
Marisa Paredes, die Haushälterin (und mehr) in «El Cigarral», gehört seit einem Vierteljahrhundert zu den Stammschauspielerinnen in Almodóvars filmischem Universum und ist nach neun Jahren Absenz wieder mit dabei.