Erfolgreiche Hotels müssen mehr bieten als nur Kost und Logis. So versuchen Häuser zusehends, das Publikum mit einem Gesamterlebnis zu begeistern. Als Anziehungspunkt einer anspruchsvollen Klientel gelten Kunsthotels, die ihre Wände mit Originalwerken regionaler oder internationaler Künstler schmücken. Die «Herberge» wird damit zum Ausstellungsort einer Kunstsammlung oder zur Galerie, in der die Gäste Kunst kaufen. Davon profitieren Hotelbetreiber wie Künstler. Das Hotel kann sein Interieur attraktiv gestalten, die ausgestellten Künstler erhalten ein verkaufsförderndes Schaufenster. Zumal sich die Kategorie Kunsthotel eher im höheren Preissegment bewegt, und das Publikum neben dem Kunstinteresse über die finanziellen Mittel verfügt.
Beachtlicher Fundus
Zum Beispiel das Hotel Saratz in Pontresina: Die Jubiläumsausstellung zum 150-jährigen Bestehen zeigt Holz-Skulpturen und Objekte der Bündner Peter und Maria Leisinger sowie Installationen des jungen Zürcher Künstlers Pascal Suprapto Schmid (bis 3.4.). Für Kunstinteressierte im Tessin ist die Casa Berno in Ascona von Interesse. Jede Saison (März bis Oktober) zeigen hier zwei Künstler Bilder und Skulpturen. Dieses Jahr sind abstrakte Malereien der Schweizer Künstlerin Claudine Tschalär sowie Werke der aus Süddeutschland stammenden Töpferin Rose Kleinschmidt ausgestellt (bis 18.10.).
Beachtlich ist der Fundus des Hotels Castell im bündnerischen Zuoz mit der Privatsammlung des Mäzens Ruedi Bechtler. Sie umfasst rund 200 Werke zeitgenössischer Kunst von Roman Signer, Fischli-Weiss, Pipilotti Rist, Carsten Höller, Martin Kippenberger u.a. Die Sammlung wächst stetig: Hinzukommen sollen laut Bechtler demnächst Exponate der US-Amerikanerin Anne Collier und des Schweizers Tobias Madison.
Höhepunkt in Zuoz ist die grandiose Raumkonstruktion «Skyspace, Piz Utèr» des US-amerikanischen Künstlers James Turrell, die im Anschluss an die wöchentlichen Kunstführungen besichtigt werden kann. Diese raffinierte Lichtinstallation lässt den Engadiner Sternenhimmel spektakulär verfremdet erscheinen.
Nach Lust und Laune
Einen roten Faden erkennt man bei der Präsentation der Kunstwerke im Hotel Castell allerdings nicht. Die Schausammlung ohne Ordnungskonzept geht einzig auf «Lust und Laune» von Bechtler zurück, wie er selbst sagt. Das lässt sich der Sammler hockkarätiger Gegenwartskunst einiges kosten. Neuankäufe belaufen sich im Schnitt auf 10 000 bis 15 000 Franken. Eine Übernachtung ist für 230 bis 430 Franken möglich.
Wer weniger ausgeben will, aber dennoch nicht auf Kunst und Bergpanorama verzichten möchte, kann sich in der Pensiun Aldier einquartieren. Das Unterengadiner Berghotel am Dorfplatz von Sent präsentiert in Lobby, Restaurant und Gästezimmern Werke der Künstler Alberto und Diego Giacometti sowie des Fotografen und Verlegers Ernst Scheidegger. Im Kellergewölbe des Aldier hat der Hotelier und Kunstsammler Carlos Gross gar ein Alberto Giacometti Museum mit 100 Stein- und Kupferdruck-Exponaten des Künstlers eingerichtet.
In Basel findet sich eines der bekanntesten Schweizer Kunsthotels, der Teufelhof, der sich in ein Kunst- sowie ein Galeriehotel unterteilt. Das Besondere am Kunsthotel: Alle neun Zimmer sind als «bewohnbare Kunstwerke» eingerichtet und werden regelmässig von Künstlern neu gestaltet. Anders als in einer konventionellen Ausstellung sollen die Gäste des Teufelhofs in den Kunstinstallationen leben und sie auf eine intime Art erfahren.
Individuell gestaltet
Das dreigeschossige Galeriehotel, das auch Bilder der Basler Galerie Carzaniga ausstellt, verfügt über 20 Zimmer in vier Kategorien. Auf den Gängen und in den Zimmern werden vom Teufelhof kuratierte Ausstellungen gezeigt. Unter dem Titel «Beschriftete Kunst» kann man zurzeit Werke von 15 Künstlern zum Thema «Schrift/Beschriftung/Alphabet» betrachten. Mit Bildern von Andreas Oesch sowie Exponaten des Malers, Kalligrafen und Grafikers Newton Scheufler. Die Preise für ein Doppelzimmer liegen zwischen 160 und 350 Franken.
Auch das Hotel Helvetia in Zürich hat sich der Kunst verschrieben. Die Inhaber, Leopold Weinberg und Adrian Hagenbach, zeigen in den Räumen des Hotels eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst, die sich aus Direktkäufen und Kooperationen mit befreundeten Künstlern zusammensetzt. Das Helvetia arbeitet mit Kuratoren, Galerien und Museen zusammen, unter anderem mit dem benachbarten Haus Konstruktiv ebenso wie mit der Basler Fondation Beyeler. So sind Werke namhafter Künstler zu entdecken wie Max Bill, Sol LeWitt, Beat Zoderer und Wade Guyton, im Restaurant finden sich Arbeiten von Jean Tinguely, Horst P. Horst und Dieter Meier. Das Treppenhaus im Entrée des Helvetia ziert eine Wandinstallation des Lausanner Künstlers Philippe Decrauzat. Ähnlich wie der Teufelhof will das Hotel Helvetia zukünftig seine Zimmer individuell von Künstlern gestalten lassen.
Kunstvolles Ambiente
Auch das Zürcher Hotel Plattenhof zieht seine Gäste mit seinem kunstvollen Ambiente an und zeigt Gestalter wie Richard Paul Lohse, Martina Gmür oder den jüngst verstorbenen Gottfried Tritten; ausserdem hat es Bilder der Schweizer Fotografen Stefan Walter und Felix Eidenbenz. Etliche Bilder sind in der Bar und im Restaurant Sento platziert. Dort finden regelmässig Wechsel-Ausstellungen statt, gegenwärtig die Schau des Zürcher Fotokünstlers Joschi Herczeg, der etwa Explosionen fotografisch festhält.
Ein Apartment-Hotel für Geschäfts- und Städtereisende ist The Flag in Zürich. Es bietet rund 100 modern designte Zimmer. Jede der fünf Ebenen des Hauses ist mit Werken eines anderen Künstlers versehen. Unter anderem von der Berliner Farbdesignerin Friederike Tebbe oder dem Fotografen Gerrit Cramer. Eine Übernachtung mit Frühstück ist ab 115 Franken zu haben.
Am anderen finanziellen Ende der Skala von Schweizer Kunsthotels steht The Dolder Grand. Hoch über Zürich bietet das Luxushotel in Kooperation mit der Galerie Gmurzynska mehr als 100 hochkarätige Werke von rund 90 Künstlern wie Andy Warhol, Henry Moore, Salvador Dalí, Niki de Saint Phalle oder Camille Pissaro. Während einige Exponate den Hausgästen vorbehalten sind, befindet sich der Grossteil in den öffentlichen Räumen. Wem also das nötige «Kleingeld» für eine Übernachtung fehlt, kann sich bei einem Lobby-Snack mit Blick auf Warhols «Big Retrospective Painting» einen Eindruck des Ambientes verschaffen.