Es ist vielleicht eine der frühesten Guerilla-Aktionen der Kunstgeschichte: Die flämische Malerin Clara Peeters versteckte in einem ihrer Stillleben ein kleines Selbstporträt. Leicht übersieht man ihr Gesicht, das sich auf dem Gemälde von 1611 in einem Zinnkrug spiegelt. Umso deutlicher ist jedoch ihre Botschaft: Seht mich als Künstlerin, anerkennt mein Werk!
Pointiert erzählt Frigeri von diesen Künstlerinnen
Diese Geste ist insofern bemerkenswert, als die Frage der Sichtbarkeit von Frauen in der Kunst stärker denn je ein Thema ist. Der geringe Anteil von ausgestellten Künstlerinnen beschäftigt seit ein paar Jahren Feuilletons und die Museumslandschaft im In- und Ausland. Währenddessen versucht zum Beispiel der Kultursender Arte, die männlich geprägte Kunstgeschichte mit Dokfilmen über Künstlerinnen neu zu schreiben.
Letzteres ist auch das Anliegen von Flavia Frigeri. Die Kunsthistorikerin und ehemalige Tate-Modern-Kuratorin lehrt am University College London. In ihrem Buch «Frauen in der Kunst» stellt sie ihren Lesern über 50 Künstlerinnen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart vor. Entstanden ist ein knackiger Kunstband. Die Auswahl der gezeigten Werke hat Frigeri gut getroffen; ihre Texte erzählen pointiert vom Leben und den bemerkenswerten Karrieren dieser Frauen. Dabei gelingt der Kunsthistorikerin eine gute Balance zwischen bekannten Namen und solchen Künstlerinnen, welche die Kunstgeschichte tatsächlich lange ausgeklammert hat. So stossen die Leser dann neben Georgia O’Keeffe, Frida Kahlo, Louise Bourgeois und Cindy Sherman zum Beispiel auf Clara Peeters (1594–ca. 1658). Aus dem Leben dieser Stillleben-Pionierin ist nur wenig bekannt. Beeindruckend sind jedoch ihre Werke, etwa das «Stillleben mit Blumen, goldenem Kelch, Mandeln, getrockneten Früchten, Bonbons, Keksen, Wein und ein Zinnkrug» von 1611. Subtile Lichteffekte verleihen dem Ölgemälde etwas Lebendiges. Peeters’ Detailtreue und Filigranität in ihrer Wiedergabe des Blumenstrausses erinnert an wissenschaftliche Zeichnungen. Und die Spiegelungen und Schimmer, mit der sie Glas- und Zinnoberflächen versah, geben dem Bild räumliche Tiefe.
Von Manets Muse zur eigenständigen Malerin
«Frauen in der Kunst» überzeugt gleich auf zwei Ebenen. Obwohl der Band aus Einzelporträts besteht, spannt die chronologische Anordnung einen Gesamtbogen über die Kunst- und Gesellschaftsgeschichte. Gleichzeitig machen die Verweise auf weitere Schlüsselwerke und wichtige Momente im Leben der einzelnen Künstlerinnen richtig Lust, sich weiter mit diesen Frauen zu befassen.
So erfahren wir über die französische Malerin Berthe Morisot (1841–1895), wie sie zunächst für Edouard Manet posierte, um wenige Jahre später ihre eigenen Bilder in einer bedeutenden Impressionisten-Schau neben jenen von Claude Monet und Edgar Degas auszustellen. Künstler brauchten bekanntlich schon immer Ausdauer und Durchsetzungsvermögen. Künstlerinnen noch viel mehr.
Buch
Flavia Frigeri
Frauen in der Kunst
176 Seiten
(Midas 2019)