Hier war früher Schluss. Ein Eisentor versperrte bis 2003 die Zufahrt zum Areal der Firma Zellweger in Uster. Idyllisch gelegen an einem umwachsenen Industriegewässer – dem «Äntliweier» –, bot sie nur jenen Einlass, die beim grössten Arbeitgeber der Stadt im Sold standen. Heute heisst die Zufahrt Weiherallee und führt in Usters aktuell meistbegehrtes Wohnquartier. Wer hier lebt, blickt auf uralte Bäume, Weiher- und Kanalanlagen, zudem auf Skulpturen und Installationen namhafter Künstler.
«The Cube» fand seinen Standort im Park
Den «Äntliweier» überspannt ein Holzsteg, dessen Begehung nebst optischen Effekten auch eine wohlig beschwingte Ahnung des «Übers-Wasser-Gehens» ermöglicht. Erbaut vom japanischen Bildhauer Tadashi Kawamata, schmiegt er sich elegant in eine Landschaft aus Stille, Licht und Schatten, aus Natur und Kultur. Am nördlichen Ufer wartet der «Cube», ein Schlüsselwerk des US-amerikanischen Minimalisten Sol LeWitt. Es hatte nach diversen Ablehnungen 2011 seinen definitiven Standort im Ustermer Zellwegerpark gefunden.
Ähnlich erging es «The 2000 Sculpture». Die weltweit wohl grösste Bodeninstallation des Kaliforniers Walter De Maria (1935–2013) wurde ursprünglich für das Zürcher Kunsthaus konzipiert und war dort auch dreimal zu sehen. Zwischendurch gastierten die 2000 Gipskuben in Berlin und Los Angeles. Auf Anregung von De Maria selbst bleiben sie nun im eigens für sie entworfenen Museumsbau in Uster.
«Kunst gehört nicht nur ins Zentrum»
«Grosses Kino», freut sich Usters Stadtpräsidentin Barbara Thalmann. «Walter De Marias Werk hat internationale Ausstrahlung und festigt Usters Position als Kulturstandort.» Der städtische Kulturbeauftragte Christian Zwinggi doppelt nach: «‹The 2000 Sculpture› ist grossartig im wahrsten Sinne. In Uster hat die Skulptur die perfekte Bleibe gefunden.» Was aber ist perfekt am Standort? Uster nennt sich «Wohnstadt am Wasser», womit die Lage am Übergang der Zürcher Agglomeration zum Oberland inmitten einer historischen Industrielandschaft gemeint ist. Gerade dies hat Thomas und Ruedi Bechtler überzeugt. Die beiden Brüder haben den Zellwegerpark initiiert und betonen: «Kunst und Architektur auf höchstem Niveau gehören nicht nur in die Zentren. Sie sind Augenöffner für Achtsamkeit im Umgang mit Bauten, Kultur und Natur.»
Die Bechtler-Brüder entstammen einer alten Unternehmerfamilie, die in den Besitz des einstigen Zellweger-Areals kam, das erstmals 1824 industriell genutzt wurde. Spinnereibesitzer Heinrich Kunz hatte damals Kanal- und Weiheranlagen angelegt, die bis heute genutzt werden. Nach der unternehmerischen Aufsplittung der einst global aktiven Textilfirma Zellweger entwickelten die Bechtlers die Vision eines «Parks als Symbiose von Natur, Kunst und Architektur».
Thomas und Ruedi Bechtler verwalten auch die von ihrem Grossvater 1955 gegründete Bechtler-Stiftung, die Kunst in den öffentlichen Raum stellt. Nebst «Kawamata-Brücke» und «Cube» finden Bewohner und Besucher im Park deshalb auch «Betonlandschaft» und «Moosfelsen» von Fischli/Weiss, den «Werkhof» von Lutz & Guggisberg oder die 1899 entstandene Skulptur «Helvetia und Merkur» von Richard Kissling.
Kultur auf 125 000 Quadratmetern
In Gebäuden, aber öffentlich zugänglich, sind Werke von Victor Vasarely, Oscar Tuazon und Pippilotti Rist zu entdecken. Rund 125 000 Quadratmeter umfasst die Parkanlage. Dank einem Gestaltungsplan wurden zwei Zellweger-Bauten des Architekten Roland Rohn umgenutzt und mit neuen Wohnbauten hochdekorierter Büros wie Gigon/Guyer und EM2N ergänzt.
«Um die Industriezone in ein gemischtes Wohn- und Arbeitsgebiet umzuwandeln, brauchte es die Politik», sagt Stadtpräsidentin Thalmann, selbst Architektin. «Es war ein Geben und Nehmen, wodurch Weiher, Allee und Parkanlage heute öffentlich zugänglich sind.» Ein klarer Mehrwert für die Stadt, findet sie, und ein Impuls. «Für andere Projekte der Stadtentwicklung ist das Areal Vorbild und Referenz», betont auch der Kulturbeauftragte Christian Zwinggi.
Diverse Auszeichnungen für Architektur und Parkgestaltung haben dem Zellwegerpark nationale Berühmtheit beschert. Und die Möblierung des Parks ist noch nicht abgeschlossen. «Unsere Familie wird diese Geschichte weiterschreiben», versprechen die Brüder Bechtler.
Zellwegerpark
Öffentlich zugänglich
«The 2000 Sculpture»
Mi/Do und Sa/So 11–17 Bechtler-Stiftung Uster ZH
www.zellwegerpark.ch
Sigmar Polke und Pamela Rosenkranz
Im neuen Museumsbau für «The 2000 Sculpture» von Walter De Maria finden auch halbjährlich wechselnde Ausstellungen statt. Zur Eröffnung präsentiert die bekannte Kuratorin Bice Curiger die Schau «All Chemie». Sie kombiniert Werke des deutschen Malers und Fotografen Sigmar Polke (1941–2010) mit Foliendrucken und Objekten der 42-jährigen Urner Multimedia-Künstlerin Pamela Rosenkranz. «Die Gemeinsamkeit ist das besondere Augenmerk, das sie auf die Materialien richten», schreibt Curiger. «Überraschende Wirklichkeitsbezüge stellen sich ein. Poetische Welten öffnen sich, die das Bekannte und Unbekannte zuweilen kopfüber präsentieren.»
All Chemie
Bis So, 18.9., Bechtler-Stiftung Uster ZH
www.bechtlerstiftung.ch