Die Sprachwahl erinnert an die Zeiten des linken Aufbruchs in den 1970er-Jahren: «Die Ausstellung widmet sich dem Zusammenhang zwischen Kolonialismus, wirtschaftlicher Globalisierung und der Etablierung von Herrschaftsverhältnissen und weltweiter Ungleichheit», heisst es in einem Text zur neuen Ausstellung «Circular Flow» («Kreislauf») im Basler Kunstmuseum. Denn der «gleichermassen für Unternehmen wie für Staaten geltende Imperativ der internationalen Wettbewerbsfähigkeit als Konsequenz des globalen Kapitalismus» diktiere «mittlerweile überall die Bedingungen von Arbeit und Produktion».
Kritischer Blick auf die Gesellschaft
Wem das zu abstrakt tönt, der findet den Zugang zur Ausstellung wohl leichter über die vom Kuratoren-Team unter Søren Grammel erwähnten gesellschaftlichen Missstände: Es kritisiert die Migrationspolitik mit Lagern auf den griechischen Inseln, führt den Klimawandel an und moniert den Verbrauch von Ressourcen – vom Wasser bis zu seltenen Erden. Oder es weist hin auf verschlechterte individuelle Arbeitsbedingungen im Zeichen der Globalisierung.
Werke von 15 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern illustrieren diese kritischen Ansätze – von der Schweizer Videokünstlerin Ursula Biemann über den multimedial aktiven Deutschen Claus Richter bis zum chinesischen Filmer Wang Bing. Dazu kommen zahlreiche Arbeiten aus der Sammlung des Museums wie von Renaissance-Maler Hans Holbein dem Jüngeren oder dem französischen Post-Impressionisten Paul Gauguin.
Die Botschaften der Künstler sind in der Ausstellung für das Publikum klar dokumentiert. So filmte der Ire Richard Mosse die Erstaufnahmeunterkunft Moria auf der griechischen Insel Lesbos «mit einer vom Militär eingesetzten Überwachungs- und Wärmebildkamera». Die Technologie vermag angeblich die Körperwärme des Menschen aus 30 Kilometern zu erfassen. Die Gefilmten sind allerdings nicht als Individuen identifizierbar, sie erscheinen lediglich als abstrakte Thermobilder. Aus Richard Mosses Aufnahmen ist die Videoinstallation «Grid (Moria)» entstanden, die auf 16 grossformatigen Flachbildschirmen den Lageralltag zeigt. Derart explizit weltanschaulich geprägte Ausstellungen sind nicht Alltag in Schweizer Kunstmuseen. Und je nach politischer Position des Betrachters wird diese Schau unterschiedlich ankommen.
Umso gespannter darf man sein, wie Kritik und Besucher «Circular Flow» aufnehmen. Offen ist, ob sie Antworten auf die im Ausstellungstext aufgeworfenen Fragen finden, die den «Klimawandel und die Umweltverschmutzung» oder «ungleich verteilter Wohlstand, Massenarbeitslosigkeit und Nationalismus» betreffen.
Circular Flow
Sa, 7.12.–So, 3.5.
Kunstmuseum Basel
«Crowds» von Melanie Gilligan, 2018, Videostill
Die 40-jährige Kanadierin Melanie Gilligan ist mit einer Videoinstallation vertreten: Ihre Protagonistin Irene ist in der Dienstleistungsbranche von Orlando (Florida) auf Jobsuche. Die Künstlerin zeigt inszenierte Alltagssituationen und dokumentiert Formen der Selbstorganisation und des öffentlichen Protests. Das Videostill zeigt eine wagemutige Aktion der Protagonistin, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.
«Tulpengärtnerei» von Pieter Bruegel dem Älteren, 1570
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlebte die niederländische Tulpenzucht einen Boom. Die Blumen galten nicht mehr nur als Statussymbol, sie wurden zu Spekulationsobjekten. Die Preise stiegen, und risikofreudige Geschäftsleute des aufstrebenden Bürgertums investierten Unsummen in die Tulpenzucht – bis 1637 der Einbruch kam. Zumindest ist das die traditionelle Lesart der angeblich ersten kapitalistischen Spekulationsblase. Unter Historikern ist allerdings umstritten, ob ihr damals tatsächlich diese Bedeutung zukam. Dieser Druck des Holländers Pieter Bruegel des Älteren (1525–1569) zeigt die unschuldige Seite der Tulpengeschichte: eine Gärtnerei, in der die aus der Türkei eingeführten Pflanzen sorgfältig gepflegt wurden. Anscheinend erkannte Bruegel bereits Jahrzehnte vor dem Boom das geschäftliche Potenzial dieser Blumen.
«Mappa» von Alighiero Boetti, 1988
Diese farbige Stickerei auf Baumwolle des Arte-povera-Künstlers Alighiero Boetti dokumentiert mit ihren Flaggen die politische Vergänglichkeit dieser Welt. Der 1994 verstorbene Italiener arbeitete in Afghanistan mit lokalen Textilkünstlern zusammen. Sie woben eine Reihe von Welt-Bildern, die dem Betrachter indes heute fremd erscheinen. Die UdSSR existierte noch in ihrer alten Form, heute eigenständige Staaten wie die Ukraine, Weissrussland oder Georgien waren Teile des Weltreichs. Die Karte besticht durch eine kindlich-naive Darstellungsform, vermittelt jedoch eindrücklich eine Geschichte streckenweise gewaltsamer Interessenskonflikte.