Welche Bedeutung seine künstlerischen Anfänge für David Monllor haben, verrät ein Regal im Atelier. Sorgfältig lagern da Spraydosen wie teurer Rotwein in einem Weinkeller. Während seiner Jugend unweit von Aarau begann Monllor, Graffiti zu sprayen. Auch heute sprüht der 33-jährige ab und an noch grossformatige Arbeiten.
Der experimentierfreudige Autodidakt
In Monllors Schaffen ist seit damals einiges passiert. Davon zeugen etwa die kleinformatigen Ölbilder, die er auf einem Tisch ausgelegt hat. Sie zeigen Strassenzüge, die typisch sind für das Schweizer Mittelland: hier unscheinbare Giebelhäuser, dort eine funktionale Apotheke. Entstanden sind sie im solothurnischen Schönenwerd, Monllors Wohn- und Arbeitsort. «Ich habe ein Auge für das Kleine entwickelt», sagt er. Und spricht über die Herausforderungen der Plein Air Malerei, über den Lichteinfall, der sich schnell ändert – «man muss rasch agieren». Diese urbanen Landschaften erinnern an Werke der US-amerikanischen Realisten Charles Sheeler und Edward Hopper: Strassen sind menschenleer, das Licht melancholisch.
Die Bildserie wird Monllor auch an der Jungkunst in Winterthur ausstellen. Dem Festival sieht er gelassen entgegen. Ein paar Galerie-Kontakte wären schön, klar, planen könne man das aber nicht. Monllor sitzt auf einem Bürostuhl in seinem Atelier. Eine Hose und ein T-Shirt mit Farbflecken liegen gefaltet über der Stuhllehne. Er wirkt entspannt. Selbst wenn er über die Corona-Zeit spricht. «Ein paar Auftragsarbeiten haben mir Geldsorgen erspart.» Monllors Werdegang aber ist eine Warnung, seine Gelassenheit mit so etwas wie Verträumtheit zu verwechseln. Nach einer abgebrochenen Lehre brachte er sich das Malen selber bei. Arbeitete sich von der Spraydose zum Pinsel vor, von Buchstaben zum Figurativen. Dabei entwickelte der Autodidakt eine beeindruckende stilistische Breite: Fotorealismus, expressive Landschaftsbilder, Surreales. «Mir wird schnell langweilig», winkt er ab und lächelt spitzbübisch. «Malerei ist grenzenlos – es wäre schade, wenn ich nicht experimentieren würde.»
Wie das als Nächstes aussehen wird, weiss er noch nicht. Das Heer schwarzer Malpinsel aber, das hinter ihm auf einem Tisch stramm in Bechern steht, das scheint bereit.
Von Schönenwerd gehts ins Atelier nach Bern: Es erinnert an eine unbequeme Dehnübung, wenn Simona Lynn Schnyder vorzeigt, wie sie ihre Plastikfiguren einschweisste. Mit ausgebreiteten Armen und vornübergebeugt macht sie nach, wie sie die breiteste Arbeit ins Vakuumiergerät hielt. «Und dann mit dem Kopf auf den Knopf drücken», lacht Schnyder herzhaft. Tagelang schnitt sie Sprechblasen aus und rückte widerspenstige Plastiksoldaten und Kunststoff-Cowboys zurecht. «Aber ich liebe jede dieser Arbeiten.»
Schnyder will unbequeme Diskussionen führen
In ihrem Atelier im Westen von Bern holt Schnyder ein paar «Eingeschweisste» aus einer Kiste. Eng umschlungen von Vakuumierbeuteln verweigern ein Soldat und ein Indianer mit einem «Nein» den Kampf. Ein Ritter in Rüstung verkündet: «Ich bin ein Mädchen.» Die Werkreihe ist amüsant und regt gleichzeitig zum Nachdenken an: über Heldenbilder, Rassismus und Geschlechterklischees.
Die Serie wird am Jungkunst-Festival zu sehen sein. «Dort kann ich zum ersten Mal meine Kunst einem breiteren Publikum zeigen», sagt die 30-Jährige. Man hört ihrer Stimme an, dass sie sich darüber freut. Seit September studiert sie an der Hochschule der Künste in Bern. Am Studium schätze sie den Austausch mit anderen Künstlerinnen. «Während der Arbeit im Atelier habe ich oft einen Tunnelblick. Dann merke ich manchmal nicht einmal, dass draussen die Sonne untergegangen ist.»
Ein Stück weit hängen Schnyders Themen auch mit ihrer Herkunft zusammen. Die gelernte Schreinerin ist im Wallis aufgewachsen, konnte sich aber nie mit der dortigen katholischen Kultur identifizieren. Eine ihrer frühen Collagen zeigt eine abgewandelte Werbezeichnung aus den 1950ern: Anstatt eines Bratens holt die Hausfrau einen Fötus aus dem Backofen. «Es ist wichtig, dass man unbequeme Diskussionen führt», sagt sie. «Als Künstlerin bin ich privilegiert, aber ich kann wenigstens versuchen, den Menschen einen Denkanstoss zu geben.»
Nicht nur Sexismus und Rassismus treiben sie um, auch die Wegwerfkultur. «Es ist total schräg, wie viel Plastik wir verbrauchen.» Deshalb arbeitet sie gerade viel mit dem Material: In einem Stück Styropor an der Wand stecken Plastikmesser – Teil einer Installation. Und auf einer Kommode liegt ein bunter Haufen kleiner Kunststoffautos. Was auch immer Simona Lynn Schnyder damit vorhat, es wird sicherlich amüsant. Unbequem amüsant.
Jungkunst 2020
An der 14. Ausgabe des Jungkunst-Festivals geben 20 Schweizer Nachwuchskünstlerinnen und -künstler während vier Tagen Einblicke in ihr vielschichtiges Schaffen – von Malerei und Fotografie über Objekte, Video und Installationen.
Do, 22.10.–So, 25.10. Halle 53 Winterthur ZH
www.jungkunst.ch