Kunst: Irritierendes Handwerk
Die beiden Künstler Daniel Dewar und Grégory Gicquel erschaffen mittels traditionellem Handwerk surrealistische Skulpturen. Die Kunsthalle Basel widmet ihnen die erste Einzelausstellung in der Schweiz.
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Kulturtipp 02/2019
Simon Knopf
Das durchschnittliche Sperrholzmöbel aus der Ikea erinnert heute nicht mehr gross an den Schrank von einst und an dessen Rolle. Priestergewänder bewahrte man darin auf, gar Reliquien. Für den profanen Gebrauch verzierte und bemalte man ihn später. Und in der Form des Aussteuerschranks galt er schliesslich als Gradmesser für die soziale Stellung einer Familie. An all das erinnert einen die Skulptur «Oak cabinet with organs» der beiden Künstler Dan...
Das durchschnittliche Sperrholzmöbel aus der Ikea erinnert heute nicht mehr gross an den Schrank von einst und an dessen Rolle. Priestergewänder bewahrte man darin auf, gar Reliquien. Für den profanen Gebrauch verzierte und bemalte man ihn später. Und in der Form des Aussteuerschranks galt er schliesslich als Gradmesser für die soziale Stellung einer Familie. An all das erinnert einen die Skulptur «Oak cabinet with organs» der beiden Künstler Daniel Dewar und Grégory Gicquel. Denn dieser Kabinett-Schrank, den die beiden von Hand schufen, ist wertig – massive Eiche, präzise Reliefschnitzerei. Wäre da nur nicht das Sujet: das von der Bauchdecke befreite Gewirr menschlicher Därme.
Anfang der 2000er begann sich das Bildhauer-Duo Dewar/Gicquel mit ihren surrealen Skulpturen einen Namen zu machen. Der 42-jährige Brite Daniel Deware und der 43-jährige Franzose Grégory Gicquel hatten sich an der Kunstakademie im französischen Rennes kennengelernt. Und bald zu ihrem Stil gefunden. Sie zogen Tonperlen zu übergrossen Halsketten auf, sie schnitzten einen Geländetöff in Originalgrösse aus einem Kastanienbaum, sie schlugen einen Ferrari Testarossa aus einzelnen Marmorblöcken.
Skurrilität prallt auf Ernsthaftigkeit
Die Kunsthalle Basel widmet ihnen nun die erste Einzelausstellung in der Schweiz. Dabei werden vorwiegend jüngere Arbeiten aus Holz gezeigt. «Mammalian Fantasies» heisst die Schau, «Säugetierfantasien» – das dürfte für die Besucher so amüsant wie fordernd sein. Denn im Werk der beiden reiben sich konstant Inhalte, Zeiten, Bildtraditionen und Handwerk. Das Holzrelief «Oak mural with man, udders and vase» erinnert zum Beispiel vom Bildtypus her an eine Grablegung Christi aus der christlichen Ikonografie. Doch hier liegt ein nackter Mann unter einer Reihe von Eutern. Das evoziert gleichermassen Erotik wie bäuerliche Bildtradition. Skurrilität prallt hier auf die Ernsthaftigkeit des Handwerks. Aber machen sich die Bildhauer über den Überfluss an Billigmöbeln lustig? Oder über unsere aktuelle Sehnsucht nach traditionellem, hochwertigem Handwerk? Oder ist das alles nur Spass? Vergnüglich und spannend ist das Schaffen dieser zwei Künstler auf jeden Fall.
Daniel Dewar & Grégory Gicquel – Mammalian Fantasies
Fr, 18.1.–So, 14.4.
Kunsthalle Basel