Nun ist also passiert, was sich die wenigsten von uns vorstellen konnten: Der Ausbruch des Corona-Virus hat das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand gebracht. Geschlossen sind auch die Museen – Ausstellungen enden früher, neue Schauen werden erst gar nicht eröffnet.
In Anbetracht dieser Situation machen sich die ersten Häuser bereits Gedanken über eine Ausweitung ihres Online-Angebots. Das Museum für Kommunikation in Bern etwa plant, in den nächsten Wochen Video-Führungen auf seiner Homepage aufzuschalten. Ebenso das Kunsthaus Baselland.
Die Besucher werden online zu Kuratoren
Das Kunstmuseum Basel wiederum postet Sammlungs-Highlights auf seinem Instagram-Kanal. Auch im Kunstmuseum Bern arbeitet ein Team bereits an Konzepten für den Kunstgenuss im Internet. «Schnellschüsse kann man von uns jedoch nicht erwarten», sagt Thomas Soraperra, kaufmännischer Direktor des Kunstmuseums Bern und des Zentrums Paul Klee. «Wir wollen ein solches Angebot gut ausarbeiten.»
So oder so lohnt es sich, dieser Tage einen virtuellen Museumsbesuch zu unternehmen. Denn mittlerweile stellen zahlreiche Schweizer Häuser Teile ihre Sammlungen auch online aus. Auf der Homepage des Kunsthauses Zürich können sich Besucher durch fast 600 Werke klicken; jeder Eintrag beinhaltet Werkbeschrieb, Jahreszahlen und Informationen zur Provenienz. Diesbezüglich lohnt sich denn auch die virtuelle Entdeckungsreise in kleineren Museen. Wer etwa in der Online-Sammlung des Kunstmuseums Solothurn stöbert, stösst vielleicht auf das impressionistische «Solothurn von Westen» des Solothurner Malers Franz Boezinger. Riesig ist schliesslich die Auswahl beim Schweizerischen Nationalmuseum oder beim Vitra Design Museum in Weil am Rhein: Tausende von Objekten aus den Beständen kann man über die jeweilige Homepage studieren.
Manches Online-Angebot geht auch über den Sammlungs-Einblick hinaus. Das Musée d’Art et d’Histoire in Genf etwa lässt seine Besucher als Online-Kuratoren walten. Jeder und jede kann aus dem Bestand thematische Bildsammlungen zusammenstellen, die dann wiederum anderen Besuchern der Homepage zur Verfügung stehen. Diese kleinen Digital-Galerien vereinen dann zum Beispiel Bilder und Skulpturen unter dem Motto «Tanzende Menschen» oder «blaue Gemälde» – und eröffnen einen neuen Blick auf die Museumsbestände. Das Kunstmuseum Bern schliesslich bietet neben der stetig wachsenden Online-Sammlung auch kurzweilige Videos, die den Internetnutzern Highlights wie Salvador Dalís «Atavismen des Zwielichts» oder Ernst Ludwig Kirchners «Alpsonntag, Szene am Brunnen» näherbringen.
«Wir können Besucher neugierig machen»
Für Museen gehört es heute dazu, über ihre Homepages und Social-Media-Kanäle Einblicke in die Sammlung und ihre Arbeit zu bieten. «Das Online-Angebot wird immer wichtiger», sagt Thomas Soraperra. «Einerseits gibt es eine wissenschaftliche Komponente: Wer eine Sammlung online stellt, macht diese für die Forschung und Bildung zugänglich. Andererseits ist es eine Kommunikationsform: Wir können online potenzielle Besucher für die Kunst neugierig machen.» Das Kunstmuseum Bern und das Zentrum Paul Klee gehören zu einer Gruppe von acht Schweizer Häusern, die am Projekt digitorials.ch teilnehmen. In diesem Rahmen entstehen sogenannte Digitorials, multimediale Online-Artikel aus Text, Bild und Video. Zwei Museen publizierten bereits solche Gefässe: Das Kunsthaus Zürich brachte ein Einführungs-Digitorial zur Olaf-Eliasson-Ausstellung heraus. Und das Kunstmuseum Luzern eines zur Schau «Turner. Das Meer und die Alpen». Als Nächstes ist ein solches Format für die Ausstellung «Mapping Klee» im Zentrum Paul Klee geplant, die nach Plan am 21. Mai eröffnen sollte.
Was die Digitalisierung betrifft, musste die Schweizer Museums-Landschaft zunächst einmal aufholen. Häuser wie das Metropolitan Museum in New York oder das British Museum in London setzen schon länger auf ein breites Online-Angebot. Pionierarbeit leistete auch das Rijksmuseum in Amsterdam, dessen Mitmach-Projekt «Rijksstudio» Vorbild für die Besucher-Galerien des Musée d’Art et d’Histoire Genf war. Und bereits seit Anfang der 2010er-Jahre digitalisiert das Projekt «Google Arts & Culture» von Google Museumsbestände rund um die Welt. So kann man mittlerweile in weit über 1000 Sammlungen blicken und virtuelle Touren durch das Archäologische Museum von Neapel, die Uffizien in Florenz und viele weitere Museen unternehmen.
So spannend solche Angebote auch sind, für die Museen stellen sie auch eine Herausforderung dar. Eine Sammlung zu digitalisieren und aufzuarbeiten, bedeute einen finanziellen Aufwand, sagt Thomas Soraperra. Hinzu komme, dass sich die Online-Welt rasch verändere – jene Social-Media-Plattform, die eben noch den Ton angab, werde schnell von der nächsten abgelöst. Dennoch ist Soraperra von der Ausweitung der Online-Angebote überzeugt. Das Museum sei schliesslich schon immer eine Plattform für die Bildung und den Austausch gewesen. Online treffe das mehr denn je zu.
Den eigentlichen Museumsbesuch ersetzten die Homepages dennoch nicht, betont er. «Die Menschen wollen das Original sehen, wollen sich in dreidimensionale Räume begeben.» Zweifelsohne. Bis sie dies wieder können, bieten die Online-Angebote der Schweizer Museen eine spielerische und spannende Möglichkeit, von zu Hause aus in die Kunst einzutauchen.
Diese Angebote lohnen sich:
Kunstmuseum Bern
www.kunstmuseumbern.ch
} Sehen } Sammlung
Kunsthaus Zürich
www.kunsthaus.ch
} Sammlung } Sammlung online (zuunterst auf der Seite)
Schweizerisches Nationalmuseum
www.nationalmuseum.ch
} Sammlung
Kunstmuseum Solothurn
www.kunstmuseum-so.ch
} Sammlung } Sammlung online
Musée d’Art et d’Histoire Genf
https://collections.geneve.ch/mah/
} Galeries MAH oder Galeries des Visiteurs
Vitra Design Museum
www.design-museum.de
} Sammlung } Sammlung online
Google Arts & Culture
https://artsandculture.google.com
The Metropolitan Museum of Art
www.metmuseum.org
} Art }The Met Collection
Rijksmuseum
www.rijksmuseum.nl
} Rijkstudio
British Museum
www.britishmuseum.org
} Collection } Collection online