Die Bronzeskulptur «Grosse kniende Wäscherin» des französischen Künstlers Pierre-Auguste Renoir ist ein Blickfang im Garten der Villa Oskar Reinhart «Am Römerholz». Neben dieser Plastik steht Beat Markus Waber mit seiner Begleiterin Cornelia Baumann und betrachtet das markante Objekt. Der stark sehbehinderte Waber kann es allerdings nur schwach erkennen, will es aber dennoch verstehen. Er sagt von sich: «Ich bin ein Habitué hier und besuche diese Sammlung regelmässig, um einen Zugang zur Kunst zu haben.»
«Ich arbeite mit Bildern im Kopf»
Die Kunstvermittlerin Kerstin Bitar erklärt das Wesen der «Wäscherin» aus dem Jahr 1917, das Renoir mit dem Bildhauer Richard Guino geschaffen hatte: «Die kräftigen Arme und Hände fallen auf, mit denen sie das Tuch hält.» Der Winterthurer Kunstsammler und Mäzen Oskar Reinhart (1885–1965) hat die Skulptur 1923 erworben. Er trug im Lauf der Jahre eine der bedeutendsten Schweizer Privatsammlungen zusammen.
Die Atmosphäre um die Villa «Am Römerholz» oberhalb der Stadt Winterthur hat es Beat Markus Waber angetan. Er findet in und um dieses klassizistische Landhaus mit seiner grosszügigen Gartenanlage eine kontemplative Ruhe, um sich trotz seiner Behinderung mit Kunst auseinanderzusetzen: «Ich arbeite mit Bildern im Kopf, die vielleicht immer weniger der Realität entsprechen», sagt er, weil sein Augenlicht zusehends schwächer wird. Naturgemäss stelle er sich «alles mehrdeutig» vor, wenn ihm ein Kunstwerk erklärt werde. Seine Begleiterin Cornelia Baumann erläutert ihm jeweils möglichst detailgenau, was das einzelne Kunstwerk auszeichnet.
Kunsthistorikerin Bitar betont, wie wertvoll für sie die Zusammenarbeit mit Sehbehinderten sei: «Diese Besucher eröffnen mir mit ihren Fragen eine neue Betrachtungsweise der Objekte», sagt sie. Bitar bietet ähnliche Führungen in verschiedenen Museen an, etwa in der Luzerner Sammlung Rosengart oder im Basler Kunstmuseum.
Nach dem Renoir-Werk führt sie weiter zur Skulpturengruppe «Daphnis und Chloë» des Schweizer Bildhauers Hermann Hubacher am Seerosenbecken. Die beiden Hirtenkinder von der griechischen Insel Lesbos haben sich der Sage nach verloren und wiedergefunden. Die Skulptur zeigt sie in einer vertrauten Pose, auch wenn sich die beiden nicht direkt in die Augen schauen.
Zwischen der Präsentation der einzelnen Plastiken berichtet Bitar über Oskar Reinharts Leben, der vornehmlich Werke französischer Künstler wie Daumier, Courbet, Renoir, Manet oder Cézanne sammelte. Deren Kunst kann sich ein Kenner wie Waber vor dem inneren Auge abrufen und gedanklich in Erinnerung rufen.
Kunstführungen für Beeinträchtigte
Reise in den Süden mit Vincent van Gogh und Paul Cézanne
Führung mit Kerstin Bitar
Mi, 30.9., 15.00 Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» Winterthur ZH
Anmeldung: 058 466 77 40 od. sorfuehrungen@bak.admin.ch
Schall und Rauch
Führungen für Sehbehinderte zur Ausstellung über die 20er
Mo, 5.10., 10.00 & 14.00 Kunsthaus Zürich
Anmeldung über die Zürcher Sehhilfe, 043 322 11 70 oder info@zsh.ch
Mapping Klee & Aufbruch ohne Ziel. Annemarie Schwarzenbach als Fotografin
Führungen mit Gebärdendolmetscherin und induktiver Höranlage.
Klee: Sa, 24.10., 13.00
Annemarie Schwarzenbach: Sa, 19.12., 13.00 Zentrum Paul Klee Bern