«Wenn ich diese Figur spiele, muss ich doch auch selbst da hinauf!», sagt Corinne Thalmann lachend. Die Schauspielerin schlüpft auf dem Riffelberg bei Zermatt in die Rolle der Engländerin Lucy Walker – der ersten Frau, die das Matterhorn erklomm. Gegen alle Widerstände freilich, denn kletternde Frauen waren 1871 in der «Männerdomäne» verpönt. Mit Lucy Walker hat die Bernerin einiges gemeinsam: «Sie ist zielstrebig, manchmal stur und geht ihren eigenen Weg. Im Stück wird sie als humorvoller Mensch gezeigt, der auch mal über sich selbst lachen kann – darin erkenne ich mich selbst.» Mut für Neues hat auch Corinne Thalmann: Ihre Mutter und die drei älteren Geschwister sind allesamt begabte Musiker – «darum wollte ich mich auf andere Art beweisen».
Auftritt vor spektakulärer Matterhorn-Kulisse
Nebst den Proben auf 2600 Metern Höhe trainiert sie nun auch für ihr ambitioniertes Berg-Projekt: Ende Juli will sie mit einem Bergführer das Matterhorn besteigen wie einst ihr Grossvater – und Lucy Walker. «Ich werde erst wirklich realisieren, was diese Frau geleistet hat, wenn ich selbst oben war», meint sie. «Viel ist nicht dokumentiert, aber es heisst, sie habe den Berg im Rock bestiegen.» Sie selbst wird sich in passenderer Ausrüstung auf den Gipfel wagen: «Es wird bestimmt wahnsinnig anstrengend und ab und zu ‹gfürchig›, aber ich bin zum Glück schwindelfrei!»
Als die Matterhorn-Idee aufkam, hat die 33-Jährige ohne zu zögern zugesagt. So wie vor drei Jahren, als sie von der Regisseurin Livia Anne Richard die Möglichkeit bekam, die künstlerische Leitung des Theaters Matte in Bern zu übernehmen. Nach ihrer Schauspiel-Ausbildung in Berlin und einigen Jahren Berufserfahrung sei sie noch gar nicht an diesem Punkt gewesen, sich so etwas vorzustellen. Doch sie hat sich mit Elan in die neue Aufgabe gestürzt.
Dem Grundgedanken des Theaters Matte bleibt sie treu: naturalistische Inszenierungen in Mundart. Der Begriff «Volkstheater» hat für sie keinen negativen Beigeschmack: «Wir sind der Meinung, Theater sollte für möglichst viele Menschen zugänglich sein.» Die Stücke, die sie auswählt, sollen der Unterhaltung dienen, Identifikationspotenzial bieten, zum Nachdenken anregen. Dennoch setzt sie auch neue Akzente mit politischeren oder abstrakteren Stücken. Den Auftakt in die Herbst-Saison macht erstmals ein Klassiker auf der Matte-Bühne: Tschechows fünf Einakter auf Berndeutsch!
Doch vorher wird sie nun auf der Freilichtbühne dem wechselhaften Wetter trotzen und sich nicht beirren lassen von Schwarznasen-Schafen, die plötzlich die Bühne entern, oder von pfeifenden «Murmelis». «Gerade bei einer romantischen Szene können solche Vierbeiner das Publikum ziemlich ablenken», meint die Bernerin augenzwinkernd.
Freilichttheater
Matterhorn: No Ladies Please!
Premiere: Do, 11.7., 19.30 Riffelberg VS
www.freilichtspiele-zermatt.ch
Corinne Thalmanns Kulturtipps
Theater/Zirkus
Zirkus Chnopf
«Ein wunderbares Projekt von und mit jungen Menschen. Mit ‹Optimum› haben sie ein tolles neues Programm gemacht. Sehr sehenswert!»
www.chnopf.ch
Musik
Käptn Peng
«Zurzeit einer meiner meist gehörten Musiker. Ein wahnsinnig talentierter Hip-Hop-Künstler und Texter aus Deutschland. Ich finde seine Weltanschauung sehr spannend und hörenswert.»
www.kreismusik.de
Podcast
WDR 5 – Das philosophische Radio
«Zuhören, wie Jürgen Wiebicke mit immer neuen Gästen über weltbewegende Themen redet, ist einfach inspirierend. Und lehrreich.»