Die Zahnpasta kostet in Waldshut halb so viel wie in Bad Zurzach AG; die Schweizer Uhr ist in Weil am Rhein billiger als in Basel. Aber welchen Einfluss hat der starke Franken auf Schweizer Kulturinstitute?
Sind die Netrebkos, Barenboims und Pollinis bald noch zahlreicher auf Schweizer Bühnen zu sehen? Oder verlieren Basel und Zürich nun Besucher, da eine Zürcher Opernkarte bisweilen mehr kostet als ein Parkettplatz an der Mailänder Scala?
Als Schweizer Festival mit 80 bis 85 Prozent Besucheranteil aus der Schweiz zieht es das Lucerne Festival vor, den Zahlungsverkehr primär in Schweizerfranken abzuwickeln. «Mit unterschiedlichen Währungen bei Einnahmen und Ausgaben zu operieren, wäre Währungsspekulation, die wir nicht als unser Kerngeschäft erachten. Sollte in Ausnahmefällen der eine oder andere Künstler eine Bezahlung in Fremdwährung bevorzugen, so ist dies Bestandteil der branchenüblichen Vertragsverhandlungen», sagt Marketing-Leiter Helmut Bachmann.
Der Euro und die Gagen
Vorsichtig lässt Helmut Bachmann durchblicken, dass der starke Franken bei Gagenverhandlungen hilfreich sei. Er meint aber auch, dass monetäre Gründe bei Weitem nicht alleine ausschlaggebend sind, ob ein Künstler in Luzern auftrete oder nicht.
Die Konkurrenz in Gstaad nennt hingegen einen anderen Aspekt. Hier ist Geschäftsführer Christoph Müller froh, in Euro gewirtschaftet zu haben, da in Euro verhandelte Künstler plötzlich 20 Prozent günstiger seien. «Ich habe glücklicherweise einige grosse Projekte langfristig in Euro abgeschlossen für 2015.» Andererseits verliert sein Gstaad Festival Orchestra auf den bereits geplanten vier Ausland-Gastspielen im Sommer/Herbst 2015 20 Prozent des budgetierten Gagen-Volumens.
Im Opernhaus Zürich gibt es ein vorsichtiges Lächeln, wenn man über Gagen spricht. Kein Wunder: Die Topgage der Salzburger Festspiele liegt bei 13 000 Euro, in Zürich bei etwa 18 000 Franken – inoffiziell noch höher. Singt ein Star sechs Vorstellungen, ergibt sich ein Unterschied von 30 000 Franken.
Grosse Nachteile
Opernhaus-Finanzchef Christian Berner sagt, dass die Gagen in der Regel in Franken bezahlt werden, womit es für ausländische Künstler attraktiver wird, in Zürich zu arbeiten. «Hier resultiert sicher ein gewisser Wettbewerbsvorteil für uns, um besonders gefragte Künstler engagieren zu können.» Kommt hinzu, dass das Opernhaus ein Teil der Bühnenbilder und Kostüme im Ausland anfertigt, was zusätzliche Ersparnisse mit sich bringt.
Negativ ist der teure Franken hingegen für die prestigeträchtigen Zürcher Operngastspiele, weil diese meist in Fremdwährung bezahlt werden, das Opernhaus aber Kosten in Schweizerfranken hat. «Es wird somit noch schwieriger werden, Gastspiele finanziert zu bekommen», so Berner.
Beim Thema Gastspiele beginnt auch der Basler Christoph Müller richtig zu klagen – und das als Konzertmanager des Kammerorchesters Basel (KOB). Er spricht von einem grossen Minus in der Rechnung: «Gagenerträge aus Gastkonzerten stellen etwa 75 Prozent des KOB-Umsatzes dar, und davon kommt der grösste Teil aus dem Euro-Raum – in Euro. Als Privatorchester ist es für das KOB ein grosser Schicksalsschlag, nun plötzlich 20 Prozent höhere Gagen am Markt verlangen zu müssen. Das gibt der Kon-zertveranstalter-Markt schlicht nicht her.» So muss das KOB bereits für die laufende Saison 2014/2015 mit einem Minus von 80 000 Franken rechnen. In der bereits durchgeplanten Saison 2015/2016 werden sich die Einnahmen mit den 1 zu 1,23 budgetierten Gagen sogar um zirka 240 000 Franken verringern.
Ausländische Gäste
Es stellt sich für das KOB die Frage, wie man den Ausfall 2015/2016 ersetzen kann. Müller nennt zwei Möglichkeiten: Entweder sagt man bereits geplante Konzertprojekte ab, oder es helfen Sponsoren und Mäzene. Auch die öffentliche Hand könnte mit zusätzlichen Subventionen für eine Überbrückung sorgen.
Sorgen machen Müller, nun wieder als Menuhin-Festival-Chef, auch die ausländischen Gäste – in Gstaad rund 40 Prozent. «Hier wird sich zeigen, wie empfindlich der Markt spielt, ob dieses Publikum bereit ist, 20 Prozent mehr auszugeben.» In Luzern liegen derzeit keine Stornierungen vor. «Grundsätzlich ist sicherlich zu erwarten, dass die Wechselkursänderungen sich nicht verkaufsfördernd auswirken. Wir unterliegen da ähnlichen Strömungen wie der Premium-Tourismus in der Region Luzern», sagt der Marketingleiter Bachmann.
Das Opernhaus Zürich rechnet damit, dass man den neuen Kurs an der Billettkasse spüren wird, auch wenn nur 5 Prozent der Kunden aus dem Euro-Raum kommen. Im Theater Basel hat man dagegen keine Besuchereinbrüche in Zusammenhang mit dem Eurokurs; trotz unmittelbarer Grenznähe kommen nur 7 Prozent der Besucher aus dem Ausland.