Krimi: Verratene Freundschaft
Tom Franklin lässt im Südstaatenroman «Krumme Type, krumme Type» einen schwarzen Cop und einen weissen Tatverdächtigen aufeinandertreffen.
Inhalt
Kulturtipp 01/2019
Eric Breitinger
Chabot, ein 500-Seelen-Kaff im US-Bundesstaat Mississippi: Die 19-jährige Tina Rutherford ist verschwunden. Alle glauben, dass Larry Ott sie umgebracht hat. So wie vor 25 Jahren Cindy Walker, die mit dem linkischen Larry ausgegangen ist. Nach dem Autokino hat kein Mensch sie je wiedergesehen. Aber man fand auch keine Leiche, und die Polizei konnte Larry nicht überführen. Das Dorf sprach ihn trotzdem schuldig. Sein Leben gefror. Jetzt schraubt er in seiner Werkstatt an Karr...
Chabot, ein 500-Seelen-Kaff im US-Bundesstaat Mississippi: Die 19-jährige Tina Rutherford ist verschwunden. Alle glauben, dass Larry Ott sie umgebracht hat. So wie vor 25 Jahren Cindy Walker, die mit dem linkischen Larry ausgegangen ist. Nach dem Autokino hat kein Mensch sie je wiedergesehen. Aber man fand auch keine Leiche, und die Polizei konnte Larry nicht überführen. Das Dorf sprach ihn trotzdem schuldig. Sein Leben gefror. Jetzt schraubt er in seiner Werkstatt an Karren herum, stopft abends Fastfood und Horrorromane in sich hinein. Eines Abends wird er angeschossen. «Krepier», krächzt der maskierte Schütze zu ihm hinunter. Larry hat nichts dagegen.
Der schwarze Ortspolizist Silas Jones rettet sein Leben. Er ist das Gegenteil von Larry, hatte Erfolg im Baseball, alle mögen ihn. Er soll in dem Fall ermitteln und verschweigt lieber, dass er Larry früher nahestand. Kennengelernt haben sie sich, als Silas Anfang der 80er zähneklappernd mit seiner alleinerziehenden Mutter am Strassenrand stand. Sie waren gerade aus Chicago gekommen. Larrys Dad liess sie damals mitfahren und in einer Hütte auf seinem Land wohnen. Einen Sommer lang stromerten der schwarze und der weisse Bub umher, bis weisse Männer ihre Freundschaft beendeten.
«Krumme Type, krumme Type» stand monatelang zu Recht auf der Krimibestenliste der wichtigsten deutschsprachigen Krimi-Kritiker und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die «New York Times» zählte das Werk zu den wichtigsten Romanen der letzten Jahre. Der Titel bezieht sich auf einen in den Südstaaten oft verwendeten Kinderreim und rückt die beiden Aussenseiter in den Mittelpunkt.
Zart und zutiefst berührend
Der Roman erzählt zart und zutiefst berührend von Einsamkeit, verratener Freundschaft und toxischen Familiengeheimnissen. Nicht zuletzt illustriert er William Faulkners Satz: «Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen.» Weisse und Schwarze drücken in den Südstaaten zwar schon lange die gleichen Bänke in Schule oder Kirche, doch über ihnen schwebt weiter der Geist der Sklavengesellschaft.
Der 55-jährige Autor beleuchtete bereits in seiner Groteske «Smonk» die Mentalität der Südstaaten. Sein neuer Roman wäre trostlos, schimmerte am Ende nicht Hoffnung auf: Silas realisiert, dass ihn mehr mit Larry verbindet, als er je dachte. Und er stellt sich einer lange verdrängten Schuld. Ein Anfang.
Buch
Tom Franklin
Krumme Type, krumme Type
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
416 Seiten
(Pulp Master 2018)