Diese Polizeitruppe kümmert sich wenig um Verbrechen. Der Ermittler Ulf Varg pflegt eher seinen Liebeskummer, weil er in eine Kollegin verknallt ist. Sein Mitarbeiter interessiert sich nur fürs Fischen. Und der Bürovorsteher schiebt administrative Papiere auf seinem Pult herum. Glücklicherweise muss sich diese Truppe nicht um das Drogenmilieu von Malmö kümmern. Sie spürt dafür einem Hotelbesitzer nach, der nachts den heulenden Werwolf spielt, derweil sich seine Frau ausserhäuslich vergnügt.
Von solchen Verhältnissen schreibt der Krimiautor Alexander McCall Smith in seinem neuen Roman «Das Dezernat für heikle Fälle», der eben auf Deutsch erschienen ist. Die Bücher des Schriftstellers haben wenig gemeinsam mit den klassischen Geschichten des «Nordic Noir»-Genres, in denen Mord und Totschlag zum guten Ton gehören. McCall Smiths Romane lesen sich im Vergleich zu den berühmten Wallander-Romanen wie Gute-Nachtgeschichten.
Erfolg mit den Botswana-Krimis
Der Schriftsteller kam 1948 in Simbabwe zur Welt, als das Land noch zum britischen Empire gehörte. In Schottland wurde er Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Edinburgh. In den 1980er-Jahren kehrte er nach Afrika zurück und baute eine juristische Fakultät in Botswana auf. Heute lebt der 71-jährige Alexander McCall Smith mit seiner Frau wieder in Schottland.
Der Autor hat seit Jahren mit seinen Botswana-Krimis wie «Ein Krokodil für Mma Ramotswe» Erfolg, in denen eine Privatdetektivin das Zepter schwingt: Die wohlbeleibte Mma Precious Ramotswe behauptet sich in diesen Geschichten mit viel Grips und ein wenig Gemeinheit in der Männerwelt des südlichen Afrikas.
«Mich interessiert das Psychologische»
Feiner Humor durchzieht die Romane von McCall Smith. So hat er sich für den schwedischen Ermittler Ulf Varg den einzigen tauben Hund ausgedacht, der Lippenlesen kann. Das Tier, ein Pudelmischling, leidet zudem unter Seasonal Affective Disorder oder einfacher: Winterkoller. Seine Beschwerden gehen Varg so nahe, dass er erwägt, den Hund zu seiner Psychiaterin mitzunehmen, die er wegen seiner unerfüllten Liebe zur Kollegin besucht. Dieses tierische Mitgefühl belegt, dass bei McCall Smith die Dinge stets ein bisschen anders sind, als man eigentlich bei der Polizei erwarten dürfte.
Dieser Autor passt nicht ins schottische Krimigenre, wie man es kennt: Ian Rankin etwa, ein Freund von McCall Smith, scheut gruslige Details nicht. Val McDermid liebt Blutbäder geradezu, als ob sich die Schotten täglich darin suhlten. «Von Gewalt kann jeder schreiben, mich interessiert das Psychologische», sagt McCall Smith. Er finde es anspruchsvoller, die Leser mit einer spannenden Handlung und etwas Witz zu fesseln. Diese Haltung ist auch in den afrikanischen Krimis mit Privatdetektivin Mma Ramotswe spürbar, die ebenfalls auf Deutsch erhältlich sind. Mma Ramotswe hat ein grosses Herz und lässt gerne eine Fünf gerade sein, etwa wenn sie einen Betrüger springen lässt, der für seine Grossfamilie zu sorgen hat, was ihm hinter Gittern nicht mehr möglich wäre. Sie vergisst indes ihr eigenes Vergnügen nicht, wenn sich die Gelegenheit für ein Schäferstündchen ergibt, um einen Heiratsschwindler in flagranti zu überführen – köstlich.
Fünf Fragen an Autor Alexander McCall Smith
«Ich setze auf die fröhlichen Seiten des Lebens»
kulturtipp: Beschäftigen Sie sich wie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen schriftstellerisch mit der Corona-Pandemie?
Alexander McCall Smith: Überhaupt nicht, ich setze auf die fröhlichen Seiten des Lebens. Und an dieser Seuche kann ich überhaupt nichts Erfreuliches erkennen. Aber ich habe ein Gedicht dazu für die BBC geschrieben über das Wesen des Distanzhaltens, ein anderes für die «Sunday Times» über das Pflegepersonal.
Sie publizieren Roman um Roman. Arbeiten Sie Tag und Nacht?
Ich mache das, was ich am liebsten tue – Schreiben. Ich stehe gerne um vier Uhr morgens auf, arbeite zwei Stunden und lege mich nochmals schlafen. Häufig muss ich Lesereisen unternehmen, um meine Bücher vorzustellen, oder ich besuche Verleger. Aber all das ist jetzt obsolet, was mir Zeit gibt, mehr zu schreiben.
Wie recherchieren Sie, wenn das Reisen schwierig ist?
Meist bin ich von einer Stadt oder einem Land fasziniert, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Ich muss einen Ort gefühlt haben wie Botswana oder Schottland, meinen jetzigen Wohnort. Den aktuellen Roman-Schauplatz Schweden kenne ich nicht sehr gut. Allerdings scheint sich das Land gut für Krimis zu eignen, wie die letzten Jahrzehnte gezeigt haben.
Warum eigentlich?
Skandinavien ist heute für viele zum Modell für den prosperierenden Wohlfahrtsstaat geworden, hat aber seine dunklen Seiten. Schottland war im 19. Jahrhundert ein ähnlicher Sehnsuchtsort und inspirierte zahlreiche Schriftsteller, auch ausländische.
Hunde spielen in Ihren Romanen eine dominante Rolle, führen Sie einen Gassi?
Ja, ich mag Hunde sehr. Sie regen meine Fantasie an. Sie eignen sich thematisch, denn das Verhältnis zwischen Mensch und Hund ist ein grosses Thema, über das sich viel schreiben lässt. Wir hatten einen kleinen Schnauzer, aber jetzt möchten wir keinen mehr, weil wir zu viel reisen.
Buch
Alexander McCall Smith
Das Dezernat für heikle Fälle
Aus dem Englischen von Alice Jakubeit
304 Seiten
(Knaur 2020)