Das Gebäude Le Bateau-Lavoir mitten im Pariser Viertel Montmartre ist ein Geschichtsort. In diesem früher heruntergekommenen und heute schick renovierten Haus befand sich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg das Atelier von Pablo Picasso, ein Anziehungspunkt der avantgardistischen Kunstwelt.
Im Jahr 1907 besuchte der damals unbekannte Maler Georges Braque seinen Kollegen und war von dessen Arbeiten begeistert. Aus der Begegnung entstand eine künstlerische Freundschaft, die wenig später den «Kubismus» begründen sollte.
Eine symbiotische Zusammenarbeit
Nur ein Jahr nach ihrem ersten Zusammentreffen stellten Picasso und Braque gemeinsam in der Galerie von Daniel Henry Kahnweiler aus, der als einer der ersten die Sprengkraft dieser neuen Bewegung erkannte. Die kurzzeitige Symbiose zwischen Picasso und Braque war so eng, dass sich bis heute nicht alle ihre Werke einem von ihnen zuordnen lassen.
Das Basler Kunstmuseum erinnert nun in einer neuen Ausstellung mit 130 Exponaten unter dem Titel «Kosmos Kubismus. Von Picasso bis Léger» an diese Entwicklung. Die Werke kommen aus den umfangreichen eigenen Beständen oder konnten als Leihgaben gewonnen werden.
Mit viel Mut rechneten die Protagonisten mit den damals gängigen Vorstellungen impressionistischer Kunst ab und suchten den Aufbruch: «Sie stiessen mit ungebremster Innovationskraft die Vorstellung von ‹hoher Kunst› vom Sockel und schufen aus einer Fülle unterschiedlichster Einflüsse das Fundament für die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert», heisst es im Ausstellungstext des Basler Kunstmuseums. Die neue Schau reiht sich perfekt an die aktuelle Ausstellung in der Fondation Beyeler mit den Arbeiten des jungen Picasso, der «Blauen und der Rosa Periode», die seinem Bekenntnis für den Kubismus unmittelbar vorangegangen war.
Der Kubismus bot mehr als die bekannten erdfarbenen Elemente, die scheinbar mechanisch ineinander verschoben waren und oftmals an dysfunktionale Maschinen erinnern. Wie entwicklungsfähig dieser Ansatz war, belegt die Leihgabe «Porträt einer jungen Frau» von Picasso. Das grüne, abstrakte Mädchenbild aus dem Jahr 1914 (Bild oben) entzieht dem ansatzweise dreidimensionalen Modell jegliche Individualität. Mehr noch: Wäre da nicht dieser Titel, käme der Betrachter nur zögerlich zum Schluss, eine weibliche Figur vor sich zu haben – vielleicht eine Art freundliches Gartengespenst im Frühling?
Abruptes Ende einer Freundschaft
Der in sich gekehrte Intellektuelle Georges Braque (1882–1963) schuf ebenfalls Werke, deren Thematik rätselhaft ist. Im Gegensatz zu Picasso (1881–1973) blieb er jedoch bis in die späteren 1940er-Jahre dem Kubismus treu und lotete seine Darstellungsformen in schier unzähligen Varianten aus: Musikinstrumente wie Gitarren oder Mandolinen, oft mit Notenblättern, prägten sein Repertoire. Wie bei kaum einem anderen Künstler fanden sich Musik und Kunst bei Braque in einer Symbiose.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs fand die enge Verbindung zwischen Picasso und Braque ein abruptes Ende. Denn Georges Braque musste an die Front, wo er eine schwere Kopfverletzung erlitt. Aber auch künstlerisch standen sich die beiden in jener Zeit nicht mehr so nahe wie zuvor. Picasso hatte sich in den ersten Kriegsjahren von seiner radikalen Phase des Kubismus gelöst. Aber die Fährte für die Zukunft war gelegt. Eine ganze Generation künstlerischer Wegbereiter hatte den Kubismus bereits aufgenommen oder sollte damit arbeiten: Juan Gris, das Paar Robert und Sonia Delaunay oder Fernand Léger (1881–1955).
Léger und die Entmenschlichung
Léger wurde ebenfalls vom Pariser Galeristen Kahnweiler entdeckt. Er war indes nicht in den persönlichen Bann Picassos geraten. Er griff lediglich die Ideen des Kubismus auf und entwickelte sie in der Pariser Künstlerkolonie «La Ruche» weiter, wo er mit Marc Chagall und dem Dichter Guillaume Apollinaire arbeitete.
Für Léger hatte die Erneuerung der Kunst eine gesellschaftspolitische Komponente, die sich in seiner späteren Période mécanique manifestierte. Diese setzte sich kulturkritisch mit der technologischen Entmenschlichung auseinander – mit den darstellerischen Elementen des Kubismus. Légers Ölgemälde «La femme en bleu» von 1912 dokumentiert diesen Weg radikal.
Die Basler Schau macht in neun chronologischen und thematischen Kapiteln die Entwicklung des Kubismus nachvollziehbar. So will die Ausstellung zeigen, wie sich diese Künstler erst von den damals gängigen akademischen Kunstansätzen lösten, um Werke zu malen, die ohne den Einfluss des Kubismus nie entstanden wären.
Kosmos Kubismus.
Von Picasso bis Léger
Sa, 30.3.–So, 4.8.
Kunstmuseum Basel