Gross war die Aufregung, als Bob Dylan im Jahr 2016 den Nobelpreis für Literatur gewann. Während einige «Na, endlich!» jubelten, entfuhr vielen: «Auch das noch!» Diese Texte seien keineswegs immer auf der Höhe, Musik sei keine Literatur und falls doch, dann allenfalls die einer Joni Mitchell oder eines Leonard Cohen. Oft ging dabei vergessen, dass Literatur und Musik seit je unentwirrbar verbandelt sind. Was läuft eigentlich diesbezüglich in der hiesigen Literatur- und Musikszene? Höchste Zeit für eine Auslegeordnung.
Schwerelose Elektro-Poesie
Auf grosse Klangreisen nimmt uns das literarisch-musikalische Duo
Die Astronauten mit. Autor Patric Marino, bekannt durch seine Erzählung «Nonno spricht», wird von Oli Kuster auf dem Synthesizer begleitet. Kuster spielt unter anderem mit Züri West und Mich Gerber. Die Astronauten begleiten die Zuhörer auf Reisen, die tief zwischen die Ohren führen – und weit darüber hinaus. «Schwerelose, elektrosphärische Poesie» nennen die Künstler das. Das ist eine treffende Beschreibung ihrer akustischen Road-Trips in den Süden und durch die Nächte. Es ist eine literarischmusikalische Begegnung auf Ohrenhöhe. Musik und Text nehmen sich auf und verstärken sich. Seit Erscheinen ihres Debüts «Die Astronauten» (2015) touren die beiden durch die Schweiz. Seither entstanden zehn neue Lieder, die sie live spielen. Wer ihre CD bestellt, bekommt nebst einem Download-Code für einen Bonussong ein Päckli Zucker frei Haus – passend zu ihrem von der Zuckermühle inspirierten Stück «Rössli vo Rupperswiu».
Die Astronauten
Fr, 5.4., 20.30 H95 Raum für Kultur Basel
Sa, 6.4., 20.15 Theater am Bahnhof TaB* Reinach BL
www.dieastronauten.ch
Auf die Lachmuskeln abgesehen
Intensiv mit dem Grenzverkehr zwischen Literatur und Musik beschäftigt ist auch Trampeltier of Love, bestehend aus Matto Kämpf sowie Simon Hari, Marc Unternährer und Benjamin Dodell. Das Quartett hat es eiskalt auf unsere Lachmuskeln abgesehen. «Trampeltier of Laugh» würde ebenso gut zu dieser Mixtur «träfer Sprüche und struber Sätze» (Eigenwerbung) passen. Die Lieder versuchen sich erst gar nicht an Understatement und Zwischenton, sondern sie fuhrwerken die Pointe oft schon im Titel nach Hause: etwa bei «Shit, Troja mit Brad Pitt». Hier findet sich auch eine Phrase von atemberaubender Bodenhaftung: «Hey, hallo, das isch Wältliteratur!». Wunderbar kurzweilige Auftritte und Videos sind das Kennzeichen der Trampeltiere. Immer eine Reise wert ist ihre Homepage, auf der sich zahlreiche Videoclips finden.
Trampeltier of Love
Mo, 4.3., Käptn Holger Langnau BE
www.trampeltieroflove.ch
Die Stimme als Instrument
Immer hart an der Grenze zwischen Literatur und Musik unterwegs ist Michael Fehr. Wenn man eine seiner «Lesungen» besucht, wenn man sieht, wie er seine Texte aufführt, spielen solche Unterscheidungen keine Rolle mehr. Auch wenn er seine Texte «nur» liest, geht er dazu auf der Bühne hin und her, trägt sie im Metrum seiner eigenen Schritte vor – schlafwandlerisch und doch mit schneidender Präzision. Da ist es eigentlich nur konsequent, dass eine Auswahl seiner Texte kürzlich auf der CD «Im Schwarm» herausgekommen ist. Manuel Troller, Andi Schnellmann, Julian Sartorius und Rico Baumann gehen virtuos auf Fehrs Texte ein. Sie tragen die Risiken und Fallhöhen, die Fehr auf seiner grossen Suche eingeht. Hier werden «Instrumente zu Erzählstimmen und die Stimme zum Instrument». Resultat: eine atemberaubende Tour de Force – und ein unvergessliches Kochrezept der anderen Art, wie der Text «Ein Rebhuhn auseinandernehmen» zeigt.
Michael Fehr
Do, 10.1., 20.30 Moods Zürich
Mo, 4.2., 19.00 Sogar Theater Zürich
Do, 21.2., 20.30 ISC Bern
www.michaelfehr.ch
Toncollagen aus Gedicht und Musik
Seit 2005 zwischen Literatur und Musik unterwegs ist Ariane von Graffenried. Mit dem Klangkünstler Robert Aeberhard spielt sie im Duo Fitzgerald & Rimini. In ihren besten Texten verschwimmen die Zeiten, zum Beispiel in «Warschau», zu finden auf dem Album «Grand Tour». Hier geht es, ausgehend von historischen Warschau-Ansichten des Malers Bernardo «Canaletto» Bellotto, auf eine atemlose Reise. Mit Klavier, Gitarre, Text und Toncollage werden Unterschiede zwischen Gedicht, Musik und Essay abgeschafft. Im Herbst erscheint eine neue CD von Fitzgerald & Rimini. Es «wird um Störenfriede, um beautiful Plagegeister gehen», lässt sich von Graffenried in ihrem typischen Sprachenmix entlocken.
Fitzgerald & Rimini
So, 14.4., 11.00 Bar Drei König Lörrach (D)
Sa, 27.4., 18.00 Kulturnacht Solothurn
www.fitzgeraldrimini.ch