Handy
Geschenkt: Man schaltet das Handy im Konzert und in der Oper auf stumm. Fast noch wichtiger ist es, das Handy immer in der Tasche zu lassen, nie etwas nachzuschauen und schon gar nicht, die Bühne zu fotografieren: Die Lichtquelle ist so hell, dass nicht nur Ihre Platznachbarn, sondern auch die Leute oben in den Logen aus ihrer Theater-Zauberwelt herausgerissen werden.
Bonbons
Hustenzeltli machen die Klang-Kathedralen zu fürchterlichen Raschelkisten. Packen Sie das Bonbon zu Beginn des Konzertes aus. Sollten Sie das vergessen haben, öffnen Sie das Bonbon nicht möglichst leise und langsam, sondern so schnell und laut wie möglich. Zerknüllen Sie das Papier nicht langsam und «geräuschlos», sondern werfen Sie es einfach auf den Boden.
Flüstern
Nichts wird so missachtet wie das Ruhegesetz, obwohl flüs-tern – und seien es nur drei Worte! – vom ersten Moment an stört und zwar die Leute vorne, hinten, rechts und links. Seien Sie still von der Ouvertüre bis zum Vorhangfall.
Programmblättern
Selbst wenn Sie es beherrschen würden, tonlos im Programm zu blättern, stört Ihre geschmälerte Aufmerksamkeit den Nachbarn: Zu merken, dass der Platznachbar in einer Mahler-Sinfonie, wo die Abgründe des Seins ausgeschritten werden, die Programm-Bio des Dirigenten liest, verursacht bei gewissen Konzertgängern ein Seelenreissen, das bis zu Gewaltfantasien gegenüber dem Blätterer führen kann.
Zärtlichkeiten
Schauen Sie schmachtend zu, wie Tristan und Isolde verschmelzen, aber lassen Sie es sein, dabei die Hand Ihres Partners zu tätscheln, ihm oder ihr das Knie zu streichen oder ihr mit dem Ellbogen die Rippen zu liebkosen. Legen Sie nie den Kopf auf seine Schultern und verzichten Sie auf ähnliche Intimitäten. Ihre Bewegungen und Ihr Desinteresse an der Bühne stören die Platznachbarn – und womöglich den Partner.
Husten
Der Pianist András Schiff stand schon mitten in einer Sonate auf und sagte entnervt: «Wir machen jetzt eine Hustenpause.» Halb so schlimm. Wer husten muss, soll husten, aber immer ins Taschentuch oder in den Ärmel. Zögern Sie es nämlich heraus, verschlucken Sie sich, husten drei Minuten röchelnd und müssen dann gar den Saal lärmend verlassen. Aber husten Sie nie zum Schluss eines Satzes. Nichts zerstört einen stillen Sonatensatz mehr, als wenn in diese atmende Pause hinein ein Hustenorkan losbricht.
Dresscode
Wer in Jeans und ohne Jackett im Opernhaus Zürich im Parkett sitzt, fällt zwar neben den Menschen in dunklen Anzügen und eleganten Cocktailkleidern auf, beziehungsweise ab, aber er wird nicht der einzige Jeansträger sein. Lange Kleider und Smoking sind nur mehr an Premieren zu sehen. Tragen Sie einfach saubere, frische Kleidung, man sitzt schliesslich eng.
Emotionale Äusserungen
Weinen Sie, schluchzen Sie leise, dirigieren Sie eine besonders schöne Passage sanft mit. Aber sagen Sie nie während oder unmittelbar nach Ende eines Stückes, wie gut es Ihnen gefallen hat. Ein «So schön!» zum Schluss von Bruckners 9. Sinfonie kann zwölf Leuten um Sie herum den Abend zerstören. Die Arie «La donna è mobile» kennen auch die anderen aus der Pizzawerbung, prahlen Sie also nicht kennerisch «Oh!» oder «Ah!».
Kritik
Kopfschütteln während einer dummen Regieidee? Warum nicht? Theater sind lebendige Orte, Sie können auch «Aufhören» brüllen, hinausgehen und die Türe knallen, wenn es Ihnen wirklich missfällt. Aber sitzenzubleiben und dauernd halblaut vor sich hin zu jammern, «Scheissregie» oder «Domingo war besser!» zu sagen, stört. Warten Sie bis zum Schluss, und buhen Sie den Tenor oder den Regisseur aus.
Applaus
Klatschen Sie besser nie als zu früh. Warten Sie zum Schluss sogar so lange, bis sich der Dirigent zum Publikum umdreht: Sie können Ihre Unwissenheit, ob die Sinfonie tatsächlich fertig ist, mit Ergriffenheit kaschieren. In der Oper applaudiert ein Neuling besser noch seltener, idealerweise erst, wenn der Vorhang gefallen ist und stillsteht (keine Viertelsekunde vorher).
Sitzen
Sitzen Sie gerade und bewegen Sie sich möglichst wenig. Nichts Schlimmeres, als wenn jener hinter Ihnen ebenfalls pausenlos seine Position ändern muss, da Sie den Kopf von links nach rechts drehen und womöglich auch noch mit Ihren langen Haaren spielen. Wichtig: Lehnen Sie sich weder im Parkett und schon gar nicht in einer Loge vor. Die Armlehne ist neutrales Gebiet. Abwechslungsweise kann einmal der eine oder die andere den Arm auf zwei Drittel der Fläche legen – weiter nicht. Wenn die Oper oder die Sinfonie fertig ist, können Sie aufstehen und heimgehen: Jene, die weiter applaudieren, sollen sich erheben, um Sie aus der Reihe zu lassen. Sie wenden ihnen immer Ihr Gesicht, nicht den Hintern zu.
Fächer
Dank Gadgets der Sponsoren feiert der Fächer ein Comeback: Anna Karenina verstand es im St. Petersburg des 19. Jahrhunderts bestimmt, sich im richtigen Takt in kurzen kräftigen Stössen hochelegant Luft zuzufächern. Heute verkommt das Fächern zu einem rundum nervtötenden Flattern, das optisch und akustisch stört.
Kinder
Abgesehen von den kleinen Mozarts aus Ihrer Familie langweilt sich fast jedes Kind im Konzert oder in der Oper. Erstaunlicherweise kommen die «Mozarts» selten ins Konzert, sondern immer die anderen. Jedes dieser Kinder beginnt nach 35 Minuten im Programm zu blättern, zu flüstern, zu husten, Bonbons auszupacken, auf dem Handy herumzudrücken oder rumzuschauen … und macht alles, was stört. Schicken Sie es mit der Gotte an ein Kinderkonzert.