Klaus Merz: Melancholisch heiter
Der Aargauer Dichter Klaus Merz kombiniert eine Firmengeschichte mit Lyrik. Ein seltsames literarisches Konstrukt, das aber gefangen nimmt.
Inhalt
Kulturtipp 05/2019
Letzte Aktualisierung:
27.02.2019
Frank von Niederhäusern
Wenn der Titel dieses eigenartigen Buches kleingeschrieben ist, hat dies seinen Sinn. «firma» wirkt wie ein gestyltes Warenlabel und illustriert trefflich das lakonische Journal, mit dem Klaus Merz seinen neuen Band eröffnet. In knappen Einträgen erzählt er die Geschichte einer namen- und branchenlos bleibenden Firma von deren Gründung 1968 bis zum Ende 2018. Das Wort «firma» taucht in diesem Text aber auch in seinem ursprünglichen lateinischen...
Wenn der Titel dieses eigenartigen Buches kleingeschrieben ist, hat dies seinen Sinn. «firma» wirkt wie ein gestyltes Warenlabel und illustriert trefflich das lakonische Journal, mit dem Klaus Merz seinen neuen Band eröffnet. In knappen Einträgen erzählt er die Geschichte einer namen- und branchenlos bleibenden Firma von deren Gründung 1968 bis zum Ende 2018. Das Wort «firma» taucht in diesem Text aber auch in seinem ursprünglichen lateinischen Sinn des «Festhaltens per Unterschrift» auf.
Das Festhalten gehört zum Kerngeschäft von Klaus Merz, der seinem Publikum seit 1967 in knappen Worten die Welt vor Augen führt. Der 73-jährige Aargauer ist ein Dichter im Wortsinn, dessen Bücher schmal sind, dessen Zeilen aber meist mehr anklingen lassen als andernorts ganze Kapitel. Seine Meisterschaft liegt darin, Lapidares in leuchtende Lyrik zu giessen. Und obwohl Merz die beiden Teile seines neuen Buches explizit als «Prosa» und «Gedichte» deklariert, liest sich auch die prosaische Firmengeschichte wie ein Langgedicht.
Die vielen kleinen Tode im Alltag
Kommt hinzu, dass sich das Journal mit der angehängten Gedichtsammlung auch thematisch überlagert. Da wie dort geht es um die vielen kleinen Tode des Alltags, die auf das grosse Finale hinweisen. Im Firmenjournal kumulieren sich Pensionierte, Entlassene, Gestorbene. In den Gedichten schimmern die kleinen Tode durch als Gefühle der Wehmut und des Vermissens, als Anzeichen der Vergänglichkeit, des Abschiednehmens. Im Gedicht «Spiegeltheater» heisst es: «Schaue mir täglich / beim Älterwerden zu: / Die Kulissen zittern. / Aber niemand lacht / ausser mir.» Selbstironische Pointen erhöhen den poetischen Zauber von Klaus Merz’ Texten. Seine Melancholie ist heiter, seine Tonalität nie resigniert, vielmehr suchend. Diese Suche ist auch eine sprachliche, wie etliche seiner neuen Gedichte belegen: «Der Abend naht: / Ich suche nach dem Satz, / der die Welt zusammenhält. / Über Nacht.»
Merz ist ein akribisch arbeitender Wortschöpfer. Umso erstaunlicher ist die hohe Frequenz seiner Veröffentlichungen. Doch er weiss: Sie stossen auf Resonanz. Spätestens seit seinem gefeierten Roman «Jakob schläft» (1997) geniesst der Dichter aus dem Aargauer Wynental hohes Ansehen im gesamten deutschsprachigen Raum.
Buch
Klaus Merz
firma
136 Seiten
(Haymon 2019)