1876 waren die ersten Töne, die im damals neuen Musiksaal in Basel erklangen, Mozarts Ouvertüre zur «Zauberflöte» gewesen. Sie machte auch am 22. August zur Einweihung des renovierten Saals den Auftakt. Wach in den Klangfarben und lebendig angefeuert vom Sinfonieorchester-Chefdirigenten Ivor Bolton. Der erste Höreindruck: Die ausserordentlich gute Akustik dieses Saals hat nicht gelitten. Das war die Grundbedingung dieses Erneuerungsvorhabens und klingt einfacher, als es ist. Unter dem Boden zum Beispiel wurde neu ein ganzes Kellergeschoss ausgehoben, ohne dass dem Saal das Geringste passieren durfte. Ein neuer Fussboden wurde eingezogen, die Bestuhlung komplett erneuert, die Technik auf der Bühne ebenso.
Ein Klang, der das Publikum umarmt
Viele Eingriffe also, aber tatsächlich hat man es unter den Argus-Augen der Gralshüter geschafft, dass dieser weltberühmten Akus-tik kein Härchen gekrümmt wurde. Ein bisschen heller sei sie geworden, sagen die Experten, die Höhen seien etwas brillanter. Es ist ein warmer, runder Klang, in dem sich die Farben der Orchesterinstrumente gut mischen, ohne dass sie zu sehr verwischt würden. Ein Klang, der die Zuhörer umarmt.
Der konservierte Konzertsaal ist das eine, ganz neu hingegen ist seine Umgebung: Die Architekten Herzog & de Meuron haben in ihrem Erweiterungsbau die klassizistischen Elemente weitergesponnen. Von aussen sind die Brüche kaum zu erkennen, selbst da, wo die alten Elemente auf neue Materialien wie Glas oder Stahl treffen, suggerieren spiegelnde Oberflächen die Fortsetzung der Fassaden.
Mit einem Foyer voller Sinnlichkeit
Erst drinnen wird die Handschrift der Architekten deutlich: Samt und Brokat in schwerem Rot, kunstvoll verdrehte Treppenhäuser, rund und rot. Einen besonderen Akzent setzt das mehrstöckige Foyer mit den skulptural verfremdeten Sitzen und der wuchtigen Abdeckung. Das ist das Terrain für den grossen Auftritt, für den Blickfang eines raffinierten Abendkleids. Viel Sinnlichkeit strahlt dieses Foyer aus, Nischen und Nebenräume laden zum Tête-à-Tête, aber Vorsicht, ganz allein ist man nicht, überall gibt es Durchblicke und Fenster.
Auch im Saal prangen frische Farben, und was man nicht sieht: Hinter der denkmalgeschützten Orgelfassade ist eine brandneue Orgel verborgen. Alt war das Instrument nicht, das bisher im Stadtcasino stand: Es stammte von 1971, wurde damals vom Dirigenten und Mäzen Paul Sacher mitfinanziert. Aber es ist in seinem neoklassizistischen Klangbild etwas schmalbrüstig herausgekommen.
Dank neuer Metzler-Orgel in der Top-Liga mitspielen
Der Wunsch der Basler Konzertveranstalter nach einem potenteren Instrument stand schon lange im Raum. Schliesslich will man in Basel in der Top-Liga der Konzertsäle mitspielen, da konnte man hinter dem KKL oder der Elbphilharmonie mit ihren grossen Orgeln nicht nachstehen. Im Budget für Renovation und Umbau des Casinos allerdings war kein Platz für die 2,5 Millionen Franken, die ein solches Instrument kosten würde. So konstituierte sich 2017 auf privater Basis ein Verein, der schon ein Jahr später diese Summe gesammelt hatte. Die Zürcher Orgelbaufirma Metzler erhielt den Auftrag – den grössten in der Geschichte des traditionsreichen Familienunternehmens.
Auch bei der Orgel galt natürlich die Prämisse: Akustik first. Herausgekommen ist klanglich eine Mischung aus französischer Orgel-Romantik und britischer Town Hall. Im Innern haben die Orgelbauer jeden Kubikzentimeter ausgenutzt, haben 56 Register mit 4000 Pfeifen untergebracht, was nur mit viel Elektronik möglich ist.
Zwei Besonderheiten hebt Andreas Metzler an seinem neuen Instrument hervor: Es sei die weltweit erste Orgel, bei der ausschliesslich nachhaltig und konfliktfrei produzierte Materialien zum Einsatz kamen: Der Zinn, aus dem viele Pfeifen gefertigt werden – insgesamt zwei Tonnen –, stammt aus zertifizierter Produktion aus Indonesien. Und die zweite Besonderheit ist ein viertes Manual, auf dem Töne gespielt werden können, die sich «winddynamisch» beeinflussen lassen. Das ist eine Metzler-Erfindung und bedeutet, dass der Ton nach dem Anspielen weiter moduliert werden kann. Dies ist besonders für zeitgenössische Musik interessant. «Das ermöglicht unglaublich viele Klänge», sagt Metzler. «Von einem schwachen Gesäusel bis zu einem unfassbaren Gekreische ist alles möglich.»
Stars der Organistenzunft ziehen alle Register
Wie das klingt, lässt sich beim Orgelfestival erleben. Stars der Organistenzunft wie die Lettin Iveta Apkalna, aber auch einheimische Musiker zogen Anfang September bereits alle Register. Nun ist noch einmal ein Schaulaufen angesagt. Einen Glanzpunkt setzt dabei Olivier Latry, der Organist der Pariser Kathedrale Notre Dame. Im Konzert von Francis Poulenc wird er die französischen Klangfarben des Instruments bestimmt prächtig zum Blühen bringen. Ein weiteres Konzert verbindet die Orgelklänge mit Tango und Tanz, und im Abschlusskonzert singen regionale Chöre zu den Orgelklängen. Das Festival im Stadtcasino soll in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden, alternierend mit dem Orgelfestival in den Basler Kirchen. Und zwischendurch bleibt zu hoffen, dass diese neue Orgel das Mauerblümchen-Schicksal anderer Konzertsaal-Schwestern nicht teilen muss.
Orgelfestival
Fr, 18.9.–So, 20.9. Stadtcasino Basel
www.ofsb.ch
Das ganze Programm im Stadtcasino Basel: www.stadtcasino-basel.ch