kulturtipp: Helga Rabl-Stadler, Sie haben in Ihren 22 Salzburger Jahren sechs Intendanten miterlebt. Idealisiere ich den Salzburger Geist, wenn ich sage, es gehe im Sommer vor allem um das Vermitteln einer Stimmung?
Helga Rabl-Stadler: Das Zusammenwirken von besonderen künstlerischen Ereignissen, der Schönheit der Stadt und der Kraft der Landschaft macht den Mythos Salzburger Festspiele aus.
Aber es muss Sie schmerzen, wenn die harten Abrechnungen der Kritiker kommen.
Ja, da leide ich sehr. 2016 mit Sven Eric Bechtolf als künstlerischem Leiter klafften die Beurteilungen von Publikum und Kritik total auseinander. Standing Ovations einerseits und Verunglimpfung andererseits. Das war schwer zu ertragen. Das wird anders sein mit unserem neuen Intendanten Markus Hinterhäuser.
Als Peter Stein unter Markus Hinterhäusers Interims-Intendanz 2011 «Macbeth» inszenierte, war es okay, als Stein 2013 «Don Carlo» bei Alexander Pereira inszenierte, kriegte Pereira dafür aufs Dach.
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe. Jeder professionelle Kritiker muss sich bewusst sein: Salzburg will kein Nischenpublikum bedienen. Wir bieten der zeitgenössischen Musik eine wichtige internationale Plattform, aber wir sind nicht «Salzacheschingen». Bei uns sitzen Kenner, aber auch jene, die einfach eine schöne Oper sehen wollen. Ich mag es nicht, wenn das Publikum beurteilt wird. Wir wollen 230 000 Karten verkaufen.
Sie müssen.
Beides – wollen und müssen. Denn die Hälfte unseres Budgets finanziert sich aus dem Kartenverkauf. Ich will und muss mich nicht dafür rechtfertigen, dass wir zum Beispiel bereits im Januar über 30 000 Karten für den «Jedermann» verkauft haben. Viele Veranstalter wären glücklich, hätten sie seit fast 100 Jahren ein solches Herzstück.
2020 feiert man 100 Jahre Salzburger Festspiele: Verraten Sie uns, ob zur Eröffnung der «Rosenkavalier» von Richard Strauss gespielt wird?
Nein. Leider. Den hatten wir erst 2013 und 2015 so wunderschön. Aber es gibt sicher Opern von Mozart und Strauss. Der Verantwortung des Centenariums gerecht zu werden, wird nicht leicht.
Ihr Tätigkeitsbereich ist breit: Sie reisten auch schon offiziell in gemeinsamer Mission mit dem österreichischen Bundespräsidenten nach Russland. Politik und Kunst Arm in Arm?
Der Bundespräsident hatte mich einfach angerufen, das ist typisch Österreich. Dieses Land fühlt sich – zu Recht oder nicht – als kulturelle Grossmacht. In diesem Denken sind die Salzburger Festspiele wichtig, sie werden wie die Wiener Philharmoniker stark als Botschafter Österreichs eingesetzt. Diese Rolle liegt mir. Unsere Geschichte ist lang: Im April 1917 hat Max Reinhardt an die k.u.k Hofkammer geschrieben, man möge doch Festspiele in Salzburg als erstes Friedensprojekt bewilligen. War es nicht verrückt, mitten im Ersten Weltkrieg an so etwas zu denken? Diese Friedensidee möchten wir für 2020 ins Zentrum stellen.
Dann kommt Herr Putin nach Salzburg, setzt sich dort in der «Figaro»-Pause mit Frau Merkel in die Fördererlounge, man trinkt ein Glasl Festspielwein und rettet die Welt?
Salzburg als Begegnungsort für wichtige Menschen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, das hat sich schon Festspielgründer Max Reinhardt gewünscht, und dafür hat er sein Haus Schloss Leopoldskron geöffnet. Jedes Jahr kommt eine ganze Reihe politischer Persönlichkeiten. Frau Merkel aber nicht in politischer Funktion, sondern weil sie und ihr Mann Musik und die Wiener Philharmoniker lieben. Ich versuche, ihr den Aufenthalt so privat wie möglich zu gestalten, und belästige sie weder mit Empfängen noch mit Treffen.
Der Anteil an Sponsorengeldern steigt prozentual sehr stark an: Wird er in 20 Jahren die Subventionen übertreffen?
Noch ist das Festspiel-Kuratorium glücklicherweise der Meinung, dass die öffentliche Hand für die Salzburger Festspiele auch finanziell Verantwortung trägt. Man will uns nicht von den Schwankungen am Sponsorenmarkt abhängig machen. Dafür bin ich dankbar.
Wer wird den Kulturinstitutionen aushelfen, wenn es künftig weniger Subventionen gibt?
Ich hoffe, dass wir die Einnahmen aus privatem Mäzenatentum steigern können. Denn es gibt Kulturbegeisterte, etwa Opernfreaks ohne Kinder, die eine schöne Berufskarriere hinter sich haben und uns Geld für ein gutes Projekt geben wollen. Hoffentlich greifen hier die eben in Österreich in Kraft getretenen Bestimmungen zur steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden für Kunst und Kultur. Eine Erfolgsgeschichte ist zudem unser Verein der Freunde der Salzburger Festspiele. Tausende von Menschen geben von 140 bis 50 000 Euro und unterstützen uns jährlich mit mehr als 2,7 Millionen Euro.
Salzburger Festspiele
Fr, 21.7.–Mi, 30.8.
www.salzburgerfestspiele.at
TV
Do, 27.7. 11.00 3sat
Eröffnung: Live aus Salzburg (A)