Diesmal wird das Theater Basel voll sein, wenn Regula Mühlemann in diesem Haus erneut in einer wichtigen Opernrolle debütiert. Sie wird die Gilda in Verdis «Rigoletto» verkörpern, die Lichtgestalt am intrigenverseuchten Hof von Mantua.
Ganz anders als an jenem tristen Dezembertag 2020: Regula Mühlemann hatte sich eigentlich die Salzburger Festspiele für ihr Rollendebüt als Pamina ausgewählt. Im coronagekürzten Salzburger Programm aber hatte die «Zauberflöte» keinen Platz.
Was für ein Kontrast: Statt im Scheinwerferlicht am wichtigsten Opernfestival der Welt sang sie vor 15 Zuhörerinnen und Zuhörern – und das salzburgwürdig. Perfekte Intonation, strahlende Farben, berauschende Mühelosigkeit, schönster Mozart-Gesang, wie sie es auf ihren zwei Mozart-Alben schon gezeigt hatte.
Spontan und offen für unorthodoxe Ideen
Die Pamina in Salzburg hat sie im letzten Sommer nachgeholt: triumphal – keine Kritik, die auch nur den geringsten Makel gefunden hätte an ihrer Interpretation von Mozarts edelster Sopranrolle. Mittlerweile gehört die 37-jährige Luzernerin zu den weltweit besten Sopranistinnen, singt an den ersten Adressen und mit den renommiertesten Orchestern und Dirigenten.
Und dabei hat sie sich ihre Spontaneität bewahrt und ist auch immer wieder für unorthodoxe Ideen zu haben. Wie damals, als sie für das Schweizer Fernsehen eine Mozart-Arie in der voll besetzten Pariser Metro sang oder den Tauben im Park Koloraturen vorträllerte, was noch im Online-Archiv von SRF zu finden ist.
Ein gemächlicher Start in die Karriere
Geboren wurde Regula Mühlemann 1986 in Luzern, bei Barbara Locher hat sie an der dortigen Musikhochschule studiert. In Luzern bekam sie auch die ersten Engagements, zum Beispiel in einer irrwitzigen Scarlatti-Komödie, die der da- malige Intendant Dominique Mentha in einem Industriebau in Emmenbrücke inszenierte. Alles in allem eine geradlinige Sängerinnen-Biografie ohne auffällige Kanten.
Bis auf eine Ausnahme: Es kann gut sein, dass eine grosse Zahl von Opern-Aficionados Regula Mühlemann zum ersten Mal nicht auf einer Bühne, sondern auf einer Leinwand gesehen hat. 2010 spielte und sang sie an der Seite von Juliane Banse und Michael Volle das Ännchen im opulent arrangierten «Freischütz»-Spielfilm des deutschen Regisseurs Jens Neubert.
Ihre Karriere ging die Bilderbuch- Sopranistin gemächlich an: «Die ersten drei, vier Jahre meines Studiums bereiteten mir einfach sehr viel Freude am Singen. Wenn mich etwas wirklich herausforderte, habe ich extrem Gas gegeben – und manchmal war ich auch etwas faul. Aber irgendwann durfte ich mir eingestehen: Ich bin ja besser als ich gedacht hätte! Das weckte einen gewissen Ehrgeiz in mir.»
Überzeugend als Julia und als Cleopatra
Mittlerweile ist sie Top of the World, aber auf dem Boden geblieben. Keine Allüren, keine Skandale und mit einem Berufsethos, das besagt, dass Erfolg immer mit solider Arbeit verbunden ist. Dabei hat sie nichts Verbissenes: Als die Projekte und Termine zu Beginn der Pandemie aus ihrem Kalender purzelten, hat auch sie erst mal die Flügel hängen lassen und wochenlang keinen Ton gesungen.
Umgekehrt hat Regula Mühlemann Hartnäckigkeit bewiesen, wenn sie etwas erreichen wollte: «Wenn es um meine Leistung als Sängerin geht, bin ich sehr kritisch mit mir. Doch es fühlt sich viel weniger nach Arbeit an, wenn man etwas gerne und mit Leidenschaft macht.» Kein Nachteil war bestimmt, dass Regula Mühlemann nicht nur über eine berückend schöne Stimme verfügt, sondern als Darstellerin auch eine starke Bühnenpräsenz entwickelt. Zu sehen etwa 2018 in der Luzerner Produktion von Gounods «Roméo et Juliette»: Selten hat man einem Bühnenpaar die erste Teenagerliebe so vorbehaltlos abgenommen.
Schon auf ihrem zweiten Album mit barocken Arien schmückte sich Mühlemann mit einer der schönsten Frauen der Geschichte: Cleopatra. Und für ihr neustes Album darf es sogar das berühmte Spieglein an der Wand sein: Regula Mühlemann ist zur Märchenerzählerin geworden. Sie tut es mit bezauberndem Charme und einer Stimme, die vielschichtiger und farbenprächtiger geworden ist.
Von Monteverdi bis Britten umspannt das Programm fast sämtliche Epo- chen der Musikgeschichte. Die Begleitung übernimmt das Aargauer Chaarts-Ensemble in schlanken und farbigen Arrangements von Wolfgang Renz, die spielend in der Lage sind, die zauberhafte Atmosphäre und geheimnisvolle Stimmung dieser Feen-Geschichten hervorzubringen.
Perfekter Laufsteg für eine vielseitige Stimme
Am Opernhaus Zürich ist die Sängerin schon früh in kleineren Rollen aufgetreten. Nun kriegt sie die Bühne für einen grossen Liederabend ganz für sich. Oder fast: Natürlich ist Tatiana Korsunskaya, ihre bevorzugte Klavierbegleiterin, mit dabei, und wenn man den Namen einer Klarinettistin findet, ist auch klar, dass Schuberts wunderschöne Naturszene «Der Hirt auf dem Felsen» erklingen wird.
Mühlemanns Programm ist fast ein Spiegel zu ihrem 2019 erschienenen Album «Lie- der der Heimat»: Viel Schubert, eine ganze Reihe kaum bekannter Schweizer Komponisten aus der Romantik, Jodel-Koloraturen von Rossini, aber zum Beispiel auch das «Guggisberg- Lied». Ein perfekter Laufsteg für eine vielseitige Stimme.
Konzerte
Verdis «Rigoletto»
Premiere: Sa, 21.1., 19.30
Theater Basel
Liederabend
Mi, 1.2., 19.00 Opernhaus Zürich
Album
Regula Mühlemann - Fairy Tales
(Sony 2022)