Das Instrument Fortepiano heisst auch Hammerklavier – wegen der damals neuen Technik, die Klaviersaiten anzuschlagen, statt sie mit Federkielen anzuzupfen wie beim Cembalo. Wer damit allerdings assoziiert, das Spiel auf einem dieser historischen Flügel sei ein einziges Gehämmer, wird schnell eines Besseren belehrt, wenn er Kristian Bezuidenhout zuhört. Dieser ist nämlich ein Meister der leisen Töne. Und das liegt nicht nur daran, dass sein Instrument tatsächlich ein ganzes Stück leiser klingt als ein hochgezüchteter moderner Konzertflügel.
Das Instrument lädt zu raschen Tempi ein
Der Name Fortepiano kommt daher, dass man auf diesem Instrument im Gegensatz zum damals gebräuchlichen Cembalo mit der Dosierung des Anschlags die Saite lauter oder leiser anspielen konnte. Das hat die Komponisten etwa der Wiener Klassik zu ganz neuen Tönen beflügelt. Im Vergleich zu einem modernen Konzertflügel ist der Anschlag des Fortepiano direkter und der Nachhall geringer. Das führt dazu, dass man auf diesen Instrumenten gerne raschere Tempi wählt, sagt Bezuidenhout: «Aber selbst wenn man schneller spielt, klingt es weni-ger hektisch, es wirkt weniger übertrieben, dafür spannender. Man kann den dramatischen Moment akzentuieren und den Dialog mit anderen Musikern direkter pflegen.»
Geboren wurde Kristian Bezuidenhout in Südafrika in einer Familie mit holländisch-burischen und deutschen Wurzeln. Seine Eltern zogen aber bald weg nach Australien, wo der siebenjährige Kristian erste Klavierstunden erhielt. Seine Leidenschaft für klassische Musik zeigte er vorerst eher als passionierter Schallplatten-Sammler. Dann entschied er sich aber doch für das Klavier-Studium, ging nach Rochester in die USA und spezialisierte sich bald auf Cembalo, Hammerklavier und die Aufführungspraxis von älterer Musik. Heute lebt Bezuidenhout in London und gehört zusammen mit Andreas Staier und Ronald Brautigam zum Triumvirat der besten Fortepiano-Spieler der Welt.
Ein feinsinniges und abgerundetes Spiel
Mit Musik von Mozart hat sich der junge Künstler ab 2009 auf dem CD-Markt eingeführt und gleich von Beginn an mit seinem feinsinnigen, klanglich abgerundeten Spiel auf sich aufmerksam gemacht. Harmonia Mundi hat seine Mozart-Einspielungen kürzlich auf einer 9-CD-Box zusammengefasst. Dazu kam Kammermusik, etwa die Violinsonaten von Beethoven mit Viktoria Mullova oder Bach mit Isabelle Faust. Und auch als Sängerbegleiter hat sich Bezuidenhout einen hervorragenden Namen gemacht – etwa mit Mark Padmore in einer filigranen Einspielung von Schuberts «Winterreise».
Seit der Saison 2017/18 ist Kristian Bezuidenhout mit dem Geiger Gottfried von der Goltz künstlerischer Leiter des Freiburger Barockorchesters. In dieser Zeit haben sie zusammen einige starke Ausrufezeichen gesetzt; im Umfeld des Beethoven-Jubiläumsjahrs besonders mit kraftvoll-frischen Interpretationen der Klavierkonzerte unter dem Dirigenten Pablo Heras-Casado. Oder mit der neuen Referenz-Einspielung der epischen neunten Sinfonie unter René Jacobs.
In Thun sitzt Bezuidenhout am Cembalo
Darin braucht es zwar keinen Pianisten, aber Bezuidenhout stellte dieser Einspielung die Aufnahme der «Chorfantasie» Beethovens zur Seite: Eine Art Vorstudie zum berühmten «Götterfunken»-Finale der Neunten, in der Beethoven neben Chor und Orchester auch einen konzertanten Klavierpart vorsah. Konsequent also, wenn Bezuidenhout für seinen Auftritt bei den Bachwochen Thun das Freiburger Orchester mitbringt. Zusammen spielen sie Werke von Bach, darunter die Orchestersuite Nr. 2 mit der rasenden Flöten-«Badinerie» als Finale sowie ein Suite von Bachs vergessenem Cousin Johann Bernhard Bach. Kristian Bezuidenhout sitzt diesmal nicht am Hammerflügel, sondern am Cembalo und spielt das grosse Solo im fünften Brandenburgischen Konzert, denn das Fortepiano war vom Italiener Bartolomeo Cristoforo 1697 zwar schon erfunden worden, aber in Bachs Heimat noch nicht in Gebrauch. Und damit nicht genug: Tags darauf ist Bezuidenhout auch als Kammermusiker in einem interessant konzipierten Programm zu hören: Triosonaten von Bach und Vivaldi, welche die italienische Seite in Bachs Musiker-Seele erforschen. Bach sei zwar nicht viel gereist, sagt Bezuidenhout: «Aber er hat italienische und französische Einflüsse auf ganz eigene, herausragende Art verarbeitet und sie mit dem distinguierten deutschen Charakter verbunden. Am Ende des Lebens komponierte er ganz elegant, ohne irgendwelche Grenzen.»
CD
Mozart
Sämtliche Klaviersonaten und weitere Klavierwerke
Mit Kristian Bezuidenhout, 9 CDs
(Harmonia Mundi 2021)
Beethoven
Klavierkonzert Nr. 4, Ouvertüren
Mit Kristian Bezuidenhout, Pablo Heras-Casado & Freiburger Barockorchester
(Harmonia Mundi 2020)
Konzerte
mit Kristian Bezuidenhout
Fr, 3.9., 18.30 & 20.30 Stadtkirche Thun BE
Sa, 4.9., 17.45 & 19.45 Kirche Amsoldingen Thun BE
Bachwochen Thun
Das Festival wurde 1987 gegründet und steht seit 2016 unter der Leitung des Schweizer Cembalisten Vital Julian Frey. Neu findet es jährlich statt. Frey, ein bestens vernetzter Künstler in der Barockmusik-Szene, hat für die aktuelle Ausgabe illustre Kollegen eingeladen: Neben Kristian Bezuidenhout spielen zum Beispiel die Blockflötistin Dorothee Oberlinger oder der Fagottist Sergio Azzolini in der Thuner Stadtkirche und in der eindrücklichen romanischen Kirche von Amsoldingen. Den Pandemie-Bedingungen fiel die geplante Aufführung der h-Moll-Messe Bachs zum Opfer. An deren Stelle spielen die Freitagsakademie Bern und das Solistenquartett ein chorloses Konzert mit zwei Kantaten, die Bach als selbstbewussten jungen Komponisten zeigen.
Bachwochen Thun
Fr, 3.9.–So, 12.9.
www.bachwochen.ch