Es war ein veritabler Coup, der den Männerstimmen Basel kürzlich gelungen ist: Sie schafften es, Eric Whitacre, den US-amerikanischen Superstar der Chorszene, zu motivieren, ein neues Stück für sie zu schreiben. «Corona sei Dank», sagt David Rossel, der aktuelle Leiter des Basler Männerchors. «Diese Zeit war gerade für Chöre extrem belastend. Wir haben uns jeweils über Zoom getroffen und zusammen gesungen. Dazu haben wir auch befreundete Komponisten zum Dialog eingeladen. Daraus ist die Idee entstanden, Eric Whitacre für ein solches Treffen anzufragen.»
Erstaunlich rasch kam eine positive Antwort. Verbunden über das Netz hätten sie Musik von ihm gesungen, und im Lauf der Diskussion hat sich David Rossel getraut, ein wenig provokativ zu fragen, was denn passieren müsste, damit er auch mal explizit für einen Männerchor schreiben würde. Seine spontane Antwort: «Let’s talk about it.» Und damit nicht genug, der US-Star komponierte nicht nur für die Basler, er erklärte sich auch bereit, die Uraufführung zu dirigieren.
Adieu Knabenkantorei! Endlich Mann!
Das war Mitte Februar, und natürlich werden die Männerstimmen das neue Stück «Time is a River» auch in ihrem Konzert beim Basel Infinity Festival (siehe Box) singen. Zusammen mit einer bunten Auswahl ihrer bisherigen und kommenden Programme, wie Rossel sagt: «Wir singen etwas aus Island, etwas aus dem Baskenland, etwas Romanisches, ein neu einstudiertes Trinklied von Francis Poulenc oder einen Rundgesang aus Estland. Sicher auch Beispiele aus dem grossen Repertoire der Männerchor- Literatur der Romantik.
Ein bunter Blumenstrauss. » Adieu Knabenkantorei! Endlich Mann! Das sagten sich 2008 eine Handvoll Sänger, die gerne zusammen weitersingen wollten. Als richtige Männer aber, und so gründeten sie die Männerstimmen Basel. Ein Männerchor mit Jugend-Appeal schwebte ihnen vor. Knickerbocker und Hosenträger wählten sie als Outfit, ein bisschen urchig für richtige Männer: «Aussen hart und innen ganz weich», das wusste schon Herbert Grönemeyer.
Von Volksliedern bis zur Avantgarde
Ein Dirigent war schnell gefunden, es kam quasi einer aus den eigenen Reihen: Oliver Rudin, ehemaliges Mitglied der Knabenkantorei – und dann deren Leiter. Am Repertoire fehlte es auch nicht, von der Renaissance über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert sind unübersehbar viele Werke für Männerchöre geschrieben worden. Das wollten die jungen Männer gerne pflegen und ihre Jugendlichkeit nicht besonders betonen, indem sie hauptsächlich Pop sangen: eine frische Form für Altbewährtes also.
Volkslieder aus aller Welt bereichern dennoch das Repertoire, der eine oder andere 20er-Jahre- Hit im Stil des Werner-Heymann- Schlagers «Irgendwo auf der Welt» durfte es auch sein. Oder eine «Zauberflöte»-Ouvertüre im Swingle-Singer-Stil, synkopengesättigte US-Traditionals ebenso wie an- spruchsvolle Werke der Avantgarde. Im Zentrum stand aber die grosse Männerchor-Kultur, die diese Herren mit ihren Stimmen und viel Herzblut zu schlank-schmissigem neuem Leben erwecken. Sie hatten bald viel Erfolg damit. Bei den World Choir Games in Cincinnati 2012 ersangen sie sich den Meistertitel unter den Männerchören.
2014 in Tallinn reichte es «nur» zum Vizemeister, aber 2015 siegten sie beim Cornwall Male Voice Choral Festival. Letzten Sommer haben sie am internationalen Chorwettbewerb im griechischen Preveza nebst dem Gesamtsieg auch den Spartenpreis für die beste zeitgenössische Aufführung gewonnen. Ein Sieg sticht besonders heraus im imposanten Palmarès: 2018 beim Fussball-Kulturgrümpeli Basel. Eines von vielen Indizien, dass es bei diesem Chor zwar auch um höchste Gesangskultur geht. Aber nicht nur.
Konzerte
Männerstimmen Basel
Sa, 11.3., 17.30 Pauluskirche Basel
www.maennerstimmenbasel.ch
Album
Männerstimmen Basel Diluvium (Eigenproduktion 2022)
Klassik aus Quantenmechanik
Wie klingen Qubits? Miaut Schrödingers Katze? Was passiert, wenn Quantenmechanik zu Musik wird? Das will die lettische Komponistin Linda Leimane dem Publikum näherbringen, während Physikcracks der Uni Basel über Quantencomputer oder Superposition referieren und der Visual Artist Arturs Punte das Tinguely- Museum in ein neues Licht taucht. Das Konzert vom 25. März nimmt am schlüssigsten den Grundgedanken des jungen Basel Infinity Festivals auf: Die klassische Musik steht zwar im Zentrum, aber man will möglichst in alle Richtungen offen bleiben, mit spartenübergreifenden Programmen andere Publikumsschichten ansprechen und den Staub von den Klassik-Konzert- Ritualen wegblasen.
Dahinter stecken zwei junge Musiker, der Basler Pianist Lukas Loss und der kasachische Geiger Sherniyaz Mussakhan, der in Basel studierte. 2019 traten sie zum ersten Mal ins Rampenlicht, nach einem Unterbruch 2021 ist dies nun ihre vierte Festivalausgabe. Neben dem Quanten-Konzert im Tinguely-Museum oder dem Auftritt der Männerstimmen Basel gibt es Streichoktette aus der Romantik, Barockmusik oder einen Liederabend mit Bassbariton Ruben Drole. Eldar Nebolsin und Alexander Sitkovetsky spielen Kammermusik von Chausson und Schostakowitsch, der Basler Schriftsteller Alain Claude Sulzer unterhält sich mit Oboist und Komponist Heinz Holliger oder begibt sich auf die Spuren des Teufels. Und es gibt Gesänge aus Kasachstan oder baseldytschi Liedli für die Kleinen.
Basel Infinity Festival
Di, 7.3.–Mi, 5.4.
Diverse Orte Basel
www.baselfestival.ch