Suzanne Z’Graggen steigt auf die Empore der Luzerner Jesuitenkirche. Es sind viele Stufen, die Orgel in der Barockkirche an der Reuss thront hoch über dem Kirchenschiff. Das ist der Arbeitsplatz der Luzernerin, hier spielt und unterrichtet sie. Im Dezember wird Z’Graggen aussergewöhnlich viel Zeit hier oben verbringen. Dann haben Orchestermessen und Festgottesdienste in katholischen Kirchen ihre Hochkonjunktur.
Volle Kirchen mit viel Musik
Die Studienkoordinatorin des Instituts für Kirchenmusik an der Hochschule Luzern im Fachbereich Musik ist die Hauptorganistin der Jesuitenkirche sowie Dozentin für Orgel. «Kirchenmusik ist mein Leben», sagt sie. «Dabei bewegen wir uns in einer Nische.» In der Weihnachtszeit tritt die Kirchenmusik allerdings aus dieser Nische heraus. Nie sind die Kirchen so voll wie dann.
Zu den normalen SonntagsGottesdiensten kommen besondere Anlässe wie Rorate-Feiern hinzu. Die frühmorgendlichen Andachten bei Kerzenschein wurden beliebt, weil katholische Schulklassen diese miterlebten – und es dann zum Zmorge Grittibänz und heisse Schoggi gab.
Die traditionelle Mitternachtsmesse am 24. Dezember sei eine Herausforderung für die Musikerinnen und Musiker. «Wir wissen, dass wir uns spätabends noch einmal voll konzentrieren müssen. Das hat schon einen Einfluss auf die Ausgelassenheit beim Familienessen…», sagt Z’Graggen schmunzelnd. Da tut die volle Kirche gut.
Viel Besinnlichkeit und Emotionen
Doch ist die Kirche so voll, weil es zum Weihnachtsritual gehört? Oder entfalten die festlichen Messen eine besondere Kraft? «Mir fällt immer wieder auf, wie bewusst die Leute entscheiden, wo sie an Weihnachten zur Messe gehen. Sie fragen mich oft, was wir spielen. Sie studieren die Programme und gehen dann in die eine oder die andere Kirche», so Z’Graggen.
Die Luzernerin weiss: «Als Kirchenmusikerin muss ich aufpassen: keine Experimente an Weihnachten. Eine neue, schräge Fassung von ‹Stille Nacht› wäre undenkbar.» Weil gerade mit diesem Lied viel Besinnlichkeit und Emotionen verbunden werden, würden auch Fehler beim Spiel schwerlich entschuldigt: «Ich übe das Lied jedes Jahr von Neuem.» Und dies trotz langjähriger Erfahrung. Denn bevor Suzanne Z’Graggen 2014 zurück nach Luzern gekommen ist, war sie seit 2008 Domorganistin an der Kathedrale in Solothurn – als erste Frau überhaupt.
In der Schweiz werden in Luzern und in Zürich Kirchenmusikstudiengänge auf Hochschulstufe angeboten. Zwar sind die Studiengänge ökumenisch ausgerichtet, jedoch ist in Luzern eine katholische Prägung vorhanden: «Die Studierenden spielen Gottesdienste und sind in den Kirchenalltag der Jesuitenkirche integriert.» So auch am 25. Dezember, wenn sie in der alljährlichen Orchestermesse mitwirken. Dieses Jahr erklingt ein Programm mit Werken von Giovanni Gabrieli.
Die Weihnachtszeit ist für Musikerinnen und Musiker zwar lukrativ, aber auch anstrengend. Auf Heiligabend, Weihnachten, den Stephanstag und die regulären Messen folgt ein dichtes Programm zum Jahreswechsel. Am 31. Dezember wird dieser in der Jesuitenkirche mit einem Konzert zum Jahresende gefeiert. Z’Graggen freut sie sich auf das Werk für Orgel von Naji Hakim. Der französische Komponist mit libanesischen Wurzeln sei «ein extrem spannender Künstler». Die Luzernerin wird als Solistin an der Orgel sitzen. Sie freut sich heute schon darauf – «obwohl ich wirklich müde sein werde».
Jesuitenkirche Luzern
Di, 25.12., 17.00 Festgottesdienst
G. Gabrieli: aus «Symphoniae Sacrae», «Hodie Christus natus est», «O Magnum Mysterium»
Vokalensemble und Orchester des Collegium Musicum Luzern; Solisten: Béatrice Droz, Laura Liechti, Alvaro Etcheverry, Tobias Wurmehl; Orgel: Suzanne Z’Graggen/Mutsumi Ueno; Ltg.: Pascal Mayer
Mo, 31.12., 18.15 Konzert zum Jahresende
Werke von Naji Hakim und W.A.
Mozart: Concerto Nr. 3 für Orgel und Streichorchester
Orchester des Collegium Musicum Luzern; Orgel: Suzanne Z’Graggen; Ltg.: Pascal Mayer
Orchestermessen zu Weihnachten
Nie ist das musikalische Programm in katholischen Kirchen dichter als zu Weihnachten. Die Pfarrblätter Ihrer Gemeinden orientieren genau, welche Orchestermesse wann gespielt wird.
Eine kleine Auswahl im Raum Zürich:
Kirche St. Peter und Paul Zürich
Mo, 24.12., 22.00
Di, 25.12., 09.30
Wolfram Menschick: Salzburger «Stille Nacht»
Joseph Schnabel: «Transeamus usque Bethlehem»
St. Katharina Zürich
Mo, 24.12., 22.00
Carl Maria von Weber:
Jubelmesse
Felix und Regula Zürich
Mo, 24.12., 22.30
Franz Xaver Brixi und Georg Philipp Telemann: Arien
Adolphe Adam: «Cantique de Noël»
Di, 25.12., 09.30
W.A. Mozart: «Pastoralmesse»
Maria Krönung
Zürich Witikon
Di, 25.12., 11.00
Joseph Haydn: «Missa Sancti Nicolai»