Als die Pandemie die Welt überfiel, war dem Cellisten Kian Soltani klar, dass er «mindestens ein halbes Jahr zu Hause sitzen und nichts tun» würde, wie er erzählt. Doch nichts tun, das war seine Sache ganz und gar nicht. So griff der 29-Jährige, befreit von Konzertverpflichtungen, eine alte Idee auf: die Musik seiner Lieblingsfilme für das Cello zu arrangieren, und zwar nicht für ein einzelnes Instrument, sondern für ein ganzes Cello-Orchester. Dessen Stimmen spielt Kian Soltani nun auf dem Album «Cello unlimited» alle selber. Auch dank modernster Aufnahmetechnik sind aufregende Klanggemälde entstanden, mal tänzerisch, mal hochdramatisch, mal stimmungsvoll. «Es war ein unvergessliches, intensives Jahr, ich bin sehr happy», sagt er im Rückblick.
Eine tiefe Liebe zum Cello mit seinem vollen Klang
Dass Kian Soltani gerade Filmmusik von «Pirates Of The Caribbean» oder «Herr der Ringe» zum Ziel seiner vierten musikalischen Expedition auf CD gemacht hat, das hat schon seinen tieferen Grund, der über die persönliche kulturelle Prägung hinausgeht. «Wer wie ich im 21. Jahrhundert mit seinen vielen Strömungen und Inspirationen aufwächst, kann nicht einfach sagen: Ich spiele nur Bach, Beethoven und Mozart, so lieb und wichtig sie mir auch sind. Denn ich will ja als Künstler auch irgendwie Teil der Gesellschaft sein und auf unsere Zeit reagieren.» Die klassische Musik soll schliesslich nicht ins Museum abwandern, sondern offen bleiben für neue Klänge und neue Konzertformen. So ist es wohl kein Zufall, dass Kian Soltani vor kurzem auch Friedrich Guldas Konzert für Cello und Blasorchester gespielt hat – das Werk eines Mannes, der Klassik und Jazz miteinander verknüpft hat.
Schubert, Schumann und persische Volkslieder
Man findet auf «Cello unlimited» vieles, was den Vorarlberger mit iranischen Wurzeln ausmacht: Ehrgeiz und Energie, Spielfreude und Experimentierlust, eine tiefe Liebe zum Cello mit seinem vollen Klang – und eine grosse Portion Fleiss. «Ich habe die Präzision seines sehr gesanglichen Spiels immer bewundert», sagt der Pianist Aaron Pilsan, der Kian Soltani im österreichischen Dornbirn schon in Kindertagen in der Musikschule kennengelernt hat. «Ich kenne kaum einen Musiker, der so gut vorbereitet ist wie er – selbst wenn er behauptet, dass er es nicht ist.» In der Beziehung dieser beiden Vorarlberger Newcomer von einst, die noch immer im musikalischen Austausch stehen und auch gemeinsam auftreten, verbinden sich Lebensgeschichten, Freundschaft und Kunst. «Wir hatten schon immer ähnliche Vorstellungen darüber, wie Musik zu interpretieren ist», sagt Aaron Pilsan. «Es ist in der Kammermusik sehr hilfreich, wenn die Musik aus einem freundschaftlichen Austausch entsteht.»
Man spürt das auf «Home», ihrem gemeinsamen, der Heimat gewidmeten Album: Wie sie achtsam aufeinander hören und wie sie respektvoll zurücktreten vor der Musik, die sie spielen. Neben Stücken von Schubert und Schumann sind dies persische Volkslieder von Reza Vali – eine Auftragskomposition, in der die Herkunft von Kian Soltanis Eltern aufscheint, die noch zur Zeit des Schahs als Musiklehrer nach Österreich gekommen sind.
Mit dem Fagott und der persischen Flöte seines Vaters und dem Harfenspiel seiner Mutter wächst Kian Soltani in Bregenz auf. Seine Bewunderung allerdings gilt einem älteren Cousin, und der spielt Cello. So fängt auch er mit vier Jahren mit dem Cellospiel an und erweist sich als so talentiert, dass er mit elf zu Ivan Monighetti an der Basler Musik-Akademie kommt. «Er hat meine Kreativität gefördert, aber auch meine Neugierde und meine Offenheit», erzählt Kian Soltani.
2014 kommt der nächste grosse Schritt: Daniel Barenboim engagiert ihn als Solocellisten für sein West-Eastern Divan Orchestra. Mit ihm und mit seinem Sohn Michael Barenboim spielt Soltani alle Beethoven-Klaviertrios ein. Daniel Barenboim erarbeitet mit ihm auch jenes Cellokonzert von Antonin Dvorák, das er in der Tonhalle Zürich spielen wird und das er mit Barenboim und der Berliner Staatskapelle auch auf CD eingespielt hat. «Dvorák hat es auf geniale Weise geschafft, ein Stück zu komponieren, das sowohl Instrumentalkonzert wie Sinfonie ist und in dem das Orchester genauso zum Protagonisten wird wie der Solist», sagt Soltani. «Man begibt sich hier auf eine lange Reise, als Solist und als Zuhörer. Ich kann alle Facetten des Cellospiels zeigen, das Konzert hat dramatische Momente, aber auch einen Anflug von Melancholie und Trauer.»
Den Kontakt zum Publikum suchen
Das Publikum aber nimmt Kian Soltani gerne mit, und er fühlt sich auf der Bühne auch meistens sehr wohl. Die Erfahrungen haben den Künstler verändert. «Früher habe ich noch sehr darauf geachtet, nur ja keinen falschen Ton zu spielen und deshalb auch mehr auf mein Cello geschaut als ins Publikum. Jetzt ist es mir wichtiger, eine Geschichte zu erzählen – und in die Gesichter der Zuhörer zu schauen.»
Konzerte
Dvoráks Cellokonzert
Werke von Smirnov & Lutoslawski
Tonhalle-Orchester Zürich,
Leitung: Jakub Hrusa
Mi, 18.5.–Fr, 20.5., jeweils 19.30 Tonhalle Zürich
CDs mit Kian Soltani
Cello unlimited
Mit Werken von Hans Zimmer, Howard Shore, John Powell u.a.
(DGG 2021)
Beethoven
Complete Piano Trios
Mit Daniel und Michael Barenboim
(DGG 2020)
Dvorák
Cellokonzert
Mit Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim
(DGG 2020)
Home
Mit Aaron Pilsan
Schubert, Schumann, Vali
(DGG 2018)