Truls Mørk ist einer jener Musiker, die ihren eigenen Weg gehen, ohne zu jeder Zeit und zu jedem Thema eine mediengerechte Schlagzeile abzuliefern. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass das, was er zu sagen hat, in seiner Musik enthalten sei. Musikalische Schnellschüsse und fragwürdige Stil-Eskapaden gibt es von ihm nicht. Erst nach 25 CD-Einspielungen hat er sich 2005 zum Beispiel dazu entschlossen, die sakrosankten Solo-Suiten von Bach einzuspielen. Etwas, was andere am liebsten gleich nach dem ersten Wettbewerbsgewinn machen würden. Truls Mørk hingegen will seine Interpretationen reifen lassen: «Das Wichtigste ist, dass eine Interpretation etwas aussagt erzählt, dass sie persönlich ist. Und das ergibt sich erst während einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Werk. Erst die Kombination von Wissen und Intuition macht die Interpretation aus. Eines allein genügt nicht.»
Ein lange verkanntes Instrument
Kein Wunder, hat Truls Mørk eine der gültigsten Einspielungen des heiklen Cellokonzerts von Schumann aufgenommen. Und auch in den Konzerten des 20. Jahrhunderts, etwa von Schostakowitsch, Prokofjew, Dutilleux
oder Miaskowsky, hat er Wesentliches zu sagen gewusst. Das Cellokonzert von Dvorák gehört zu den Favoriten von Truls Mørk – als Cellist kommt man nicht darum herum. «Das Dvorák-Konzert ist das einzige grosse Cellokonzert der Romantik, ein Stück, das mit einem Brahms-Violinkonzert oder einem Tschaikowsky-Klavierkonzert vergleichbar wäre», sagt Mørk und fügt an: «Immerhin haben wir noch das Doppelkonzert von Brahms, dafür sind ihm alle Cellisten ewig dankbar.» Als alter Mann habe Brahms das Dvorák- Konzert gehört und danach gesagt: Wenn er gewusst hätte, dass so etwas möglich wäre, dann hätte er schon längst ein Cellokonzert geschrieben. Schumann, Saint-Saëns, Elgar oder Tschaikowsky hingegen hatten in ihren konzertanten Werken andere Ideen für das Cello. Oder sie trauten dem Instrument schlicht nicht zu, neben dem romantischen Sinfonieorchester bestehen zu können.
Der Kammermusik verpflichtet
Ein Orchester ist eine Herausforderung für jeden Cellisten, denn das Cello mischt sich hervorragend mit den Klangfarben der anderen Instrumente. Dadurch hat es das Cello aber eben gerade nicht leicht, das Orchester zu übertönen, wie es beispielsweise eine Geige oder Flöte mühelos können. «Man muss als Interpret sehr genau wissen, wie man einen Klang produzieren kann, der stark genug ist, aus dem Orchester herauszuleuchten», sagt Truls Mørk. «Ein Klang, der Kraft und Volumen hat, ein wenig spitz und scharf ist und nicht zu rund sein darf.» Aber dem Fehlen eines umfangreicheren Konzertrepertoires gewinnt Truls Mørk auch positive Seiten ab. Man sei als Cellist quasi gezwungen, die Kammermusik zu pflegen. Und dabei denkt er nicht nur an die Sonaten etwa von Brahms oder Beethoven, sondern auch an die grösser besetzten Werke der Kammermusik, die Trios, Quartette, Quintette: «Etwas vom Schönsten in der Kammermusik ist, dass man im Gegensatz zum Solokonzert, das in den Proben mehr oder weniger fixiert wird, noch intuitiv musizieren kann.
Jeder reagiert auf die anderen, und so ergibt sich eine schöne Atmosphäre von Konzentration und Reaktion mit vielen Überraschungen und spontanen Ideen.» Manchmal sei es sogar möglich, diese offene Haltung im Zusammenspiel mit Orchester und Dirigenten zu finden und damit die grosse Geste des Solisten mit der Teamfähigkeit des Kammermusikers zu verbinden.
Energie schöpfen aus der Natur
Truls Mørk ist ein begnadeter Kammermusiker, das kann man zum Beispiel jeden Sommer beim Verbier-Festival wieder erleben. Da zeigen sich in den zusammengewürfelten Besetzungen aus hochkarätigen Solisten jeweils Sportsgeist, Reaktionsvermögen und Spontaneität, da kann man die beiden Gesichter des Nordländers unmittelbar
nebeneinander erleben: die helle, fröhliche Seite des nordischen Sommers und die Melancholie der langen Winternächte.
Ob ihn seine Heimat auch musikalisch geprägt hat? Das sei nicht leicht zu sagen, meint Truls Mørk. «Ich sehe die klassische Musik schon als international an. Und die Schönheiten der Natur gibt es überall. Aber Natur
ist für mich sehr wichtig, ich könnte nicht ohne diese Ruhe und unbeschreibliche Energie ihres Friedens leben.»
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Aktuelle CDs mit Truls Mørk Konzerte
Schostakowitsch Cellokonzerte
Mit dem Oslo Philharmonic unter Vasily Petrenko
(Ondine 2014).
Truls Mørk
The Greates Cello Concertos.
Standardrepertoire von Haydn bis Dutilleux inkl. Schumann, Dvorák und Elgar
9-CD-Box
(Erato 2013).
C. P. E. Bach
Cellokonzerte, mit Les Violons du Roy unter Bernard Labadie
(Virgin 2011).
Tournee Migros-Kulturprozent-Classics
So, 22.10., 18.30 KKL Luzern
Mo, 23.10., 20.00 L’Heure bleue La Chaux-de-Fonds
Di, 24.10., 19.30 Tonhalle Maag Zürich
Mi, 25.10., 20.00 Victoria Hall Genf
Leos Janácek: Ouvertüre zur Oper «Jenufa»
Antonín Dvorák: Cellokonzert h-Moll op. 104
Antonín Dvorák: Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88
Truls Mørk (Cello), Tschechische Philharmonie,Tomáš Netopil (Leitung)