Man sieht es, noch bevor man es hört. An den bordeauxroten Hosen und den ebenso roten Hemden – und vor allem an den vier Musikern selbst. Wenn das Kebyart Ensemble auftritt, geht es aussergewöhnlich zu und her. Und mittendrin: Schuberts Streichquartett D 87 in Es-Dur. Für einmal nicht gespielt von zwei Geigen, einer Bratsche und einem Cello, sondern von den vier Saxofonisten Pere Méndez Marsal, Victor Serra Noguera, Robert Seara Mora und Daniel Miguel Guerrero. Oder kurz: dem Kebyart Ensemble.
Zwischen 23 und 25 Jahre alt sind die vier Musiker, die in der Reihe «Newcomers» das Musikdorf Ernen abwechselnd zum Glühen und Schwelgen bringen werden. Die vier spielen seit fünf Jahren zusammen. «Wir haben gemeinsam in Barcelona den Bachelor of Arts gemacht und dabei im Fach Kammermusik die Quartett-Formation gewählt. Anschliessend wollten wir Quartette nicht mehr nur studieren, sondern zu unserem Beruf machen. Denn Kammermusik ist unsere absolute Leidenschaft», erzählt Pere Méndez Marsal. Er spielt im Kebyart Ensemble das Sopransaxofon.
Analog zu einem Streichquartett aufgebaut
Es folgten Konzert um Konzert, Preise und Auszeichnungen. Die Formation ist analog zu einem Streichquartett aufgebaut: «Ich bin sozusagen die erste Geige, das Altsaxofon die zweite, das Tenorsaxofon ist unsere Bratsche – und auch ein Cello haben wir mit dem Baritonsaxofon.»
Da erstaunt es wenig, dass die vier jungen Spanier von namhaften Streichquartetten wie dem Cuarteto Casals, Rainer Schmidt vom Hagen Quartett oder Hatto Beyerle (ehemaliger Bratschist des Alban Berg Quartetts) unterrichtet und gecoacht werden. Doch geht das überhaupt: Saxofon-Unterricht bei Streichern? «Wir lernen sogar mehr als bei einem Saxofonisten», erklärt Pere Méndez Marsal. «Weil unsere Lehrer mit uns nur über die Musik sprechen. Das Technische fällt weg. Sie sagen zum Beispiel: Diese Passage muss leise und hauchzart sein. Und wir versuchen, es umzusetzen, ohne schon daran zu denken, dass das in der hohen Lage auf unserem Instrument schwierig sein könnte.»
Wer die vier hört, wird staunen über die Homogenität ihres Klangs. Die ersten zwei Jahre hätten sie viel Energie und Zeit darauf verwendet, die perfekte Balance zu finden, erzählt Méndez Marsal. Dass sie zudem Instrumente desselben Herstellers Selmer spielen, lässt ihren Klang manchmal perfekt miteinander verschmelzen.
Staunen wird man in Ernen auch über das vertraute Es-Dur- Quartett von Schubert in ungewohntem Klanggewand; ebenso über den Tanz des Müllers aus Manuel De Fallas «Der Dreispitz». Denn was immer die vier Spanier an bekanntem Streichquartett- oder Orchester-Repertoire anpacken oder anstimmen, leuchtet auf – und ein.
Sie spielen sich von der Gegenwart in den Barock
Schwerelos spielen sie sich durch die Jahrhunderte und transkribieren dabei die Werke, von der Gegenwart zurück bis in den frühen Barock, gleich selber für ihre Instrumente. «Neulich haben wir sogar Léonin und Pérotin gespielt», sagt Méndez Marsal. Die beiden Kirchenmusik-Komponisten aus dem 12. und 13. Jahrhundert gelten als Erfinder der mehrstimmigen Musik.
In seine Konzerte mischt das Kebyart Ensemble Transkriptionen mit Originalwerken für Saxofonquartett – beim Auftritt im Musikdorf Ernen etwa mit «Petit quatuor pour saxophones» von Jean Françaix (1935) und Georg Friedrich Haas’ «Saxophonquartett». Zudem geben die vier Musiker Aufträge an zeitgenössische Komponisten. «Wir arbeiten sehr hart daran, aussergewöhnliche Programme zu bieten, und haben für uns eine Balance gefunden. Vielleicht ist es die perfekte Gleichung – auch für das Publikum.»
Das klingt, als seien dem Saxofon-Quartett keine Grenzen gesetzt. «Doch», antwortet Pere Méndez Marsal bestimmt. «Beethovens Grosse Fuge für Streichquartett ist für uns unspielbar. Weil sie ganz auf die Eigenheiten der vier Streichinstrumente hin komponiert ist.» Auch Doppelgriffe, Akkorde und sehr hohe Lagen lassen sich auf einem Saxofon nicht umsetzen. Aufhalten lassen sich die vier davon indes nicht: «Arnold Schönberg hat gesagt, alle gute Musik lasse sich sogar auf einer Zither spielen», erklärt er. «Vielleicht müssen wir einfach von der Idee loskommen, Werke Ton für Ton zu adaptieren. Und stattdessen beim Transkribieren den Gehalt der Musik mit vier Saxofonen neu erstehen lassen.»
Dass die vier aufs Saxofon gekommen sind, ist kein Zufall. In ihrem Heimatland Spanien ist das Instrument beliebt und dementsprechend weit verbreitet. Blasmusik-Bands erfreuen sich grosser Beliebtheit, wie Méndez Marsal sagt: «Mein Heimatort Tarragona hat zwar nur 6000 Einwohner, aber eine Blasmusik-Band mit 80 Mitgliedern, die jährlich vier Konzerte gibt. Das ist eine ganze Menge! Daneben veranstaltet sie Feste, wo aufgespielt wird.»
Einen neuartigen Eindruck hinterlassen
Mit der Heimat in Zusammenhang stehen vielleicht auch die Hemden und Hosen des Quartetts. Sie sind teils aus dunkelrotem Tuch, was aber keineswegs ein rotes Tuch für das Publikum sein soll. Eher umgekehrt. Ist die schwarze Kleidung klassischer Musiker langweilig? «Total», meint der «Erste Saxofonist» lachend. «Auch wenn uns die Kleidung nicht das Wichtigste ist, möchten wir beim Publikum einen neuartigen Eindruck hinterlassen.»
Das sei für die klassische Musik wichtig. Schliesslich werden dort sehr oft die gleichen Werke immer wieder gespielt. «Die klassische Musik kann schon ein wenig Revolution brauchen.» Und wenn diese so klangschön ist wie beim Kebyart Ensemble, dann lässt sich wohl jeder gerne revolutionieren.
Kebyart Ensemble
Sa, 14.9., 20.00 Mehrzweckhalle Ernen VS
Mit Werken von Schubert, De Falla, Georg Friedrich Haas und Jean Françaix