Zermatt ist in kultureller Hinsicht ein «Heimlifeiss». Wer in der Pause eines Konzerts des Zermatt Music Festival & Academy in der «Wilden Hilde» direkt gegenüber der Mauritius-Kirche ein Glas Fendant trinkt, wird staunend gefragt, was denn da drüben los sei. Und dass die Fremden für einen Mozart-Abend aus Zürich angereist sind, will die Stammtischrunde auch nach einem grossen Schluck Bier nicht glauben.
Von noch viel weiter her hätte sich die Anreise für dieses Konzert gelohnt – nicht aber eine frühe Abreise. Denn länger als einen Abend sollte der Gast auf jeden Fall bleiben. Hier sind die unterschiedlichsten Veranstaltungen zu erleben: vom Orchester- übers Kinderkonzert, von Filmen bis zur Jazz-Session. Am Schlusstag wird sogar jeweils der Gottesdienst mit Top-Ensembles musikalisch ausgeschmückt, heuer mit Haydns «Heiligmesse» unter der Leitung keines Geringeren als Ton Koopman.
Ernte grosser Arbeit mit Berliner Philharmonikern
Das Fundament des Festivals bildet das 1983 von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker gegründete Scharoun Ensemble. Die Musiker treten in Kammerkonzerten auf, aber arbeiten vor allem auch in der Academy mit 35 Studenten und Studentinnen. Zusammen bildet man dann das Festivalorchester. Im Eröffnungskonzert letzten Sommer war in der ohne Dirigent gespielten 38. Sinfonie von Mozart zu erkennen, wie intensiv hier technisch und interpretatorisch gearbeitet worden war. Schön zu hören war es, wie die jungen Musiker im Klavierkonzert von Mozart auf den Pianisten Piotr Anderszewski eingingen, seine Ideen weiterführten.
Die Welt zu Gast – und Walliser Musiker ebenso
Die Studenten treffen sich jeweils in einer Arbeitswoche in Berlin. Wer sich in einem Festspielsommer auszeichnet, hat die Möglichkeit, ein zweites Mal in Zermatt mit dabei zu sein.
Im Eröffnungskonzert 2019 wird man auf Renaud Capuçon treffen. Vorher begleitet man den französischen Geigenstar und das Scharoun-Mitglied Wolfram Brandl in Bachs Konzert für zwei Violinen. Am Vorabend zeigen sich die Stipendiaten der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker ohne Mentoren im Hauskonzert, wo man sie für wenig Geld in Streichquartett-Formation hören kann.
Schön auch, wie man die Welt zu Gast hat und doch die Walliser Musiker ehrt: In der «Heiligmesse» wird das von Christophe Horák vorbereitete Oberwalliser Vokalensemble auftreten, oder die aus Brig stammende Rachel Harnisch wird am Sa, 7.9., das Sopransolo in Mahlers 4. Sinfonie singen. Vielleicht hat man in der «Wilden Hilde» schon mal von ihnen etwas gehört.
Zermatt Music Festival
So, 1.9.–So, 15.9.
www.zermattfestival.com