Die Salzburger Festspiele zeigten im August, dass es auch in Zeiten von Corona möglich ist, Opern vor 1000 Menschen zu spielen. Das jedenfalls liess sich nach dem glücklich verlaufenen Monat sagen. Aber jedes Land hat andere Gesetze, andere Fallzahlen – und noch entscheidender: Jede Stadt hat ein anderes Theater. Die Felsenreitschule in Salzburg, wo mit 107 Orchestermusikern Richard Strauss’ «Elektra» gespielt wurde, hat einen sehr grossen Orchestergraben. Jene in der Schweiz sind verhältnismässig klein.
Die Live-Musik wird zugeschaltet
So wirkt die Zürcher Anti-Corona-Massnahme, die man mitten im Lockdown beschlossen hat, auf den ersten Blick gar nicht so absurd: Das Orchester und der Chor spielen in einem zum Aufnahmeraum umfunktionierten Proberaum, via Lautsprecher wird der Klang direkt ins Opernhaus gebracht. So ist es regelkonform möglich, Modest Mussorgskys monumentale Oper «Boris Godunow» zur Saisoneröffnung zu spielen. Die Sängerinnen und Sänger agieren wie gewohnt auf der Bühne.
«Dieses Spielmodell ermöglicht es dem Opernhaus Zürich, nur geringfügige Änderungen am publizierten Saisonprogramm vornehmen zu müssen. Zusätzlich bietet dieses Konzept für das Publikum und das Haus Planungssicherheit», sagt Intendant Andreas Homoki. Womit wir bereits bei einem entscheidenden Punkt sind: Wie sehr lässt man sich vom Virus den Spielplan beeinflussen? Und müsste man nicht besser darauf reagieren, statt ihm zu trotzen?
Genfs Operndirektor Aviel Cahn bekennt, dass es mit dem Schutzkonzept des Schweizer Bühnenverbands sehr schwierig sei, derzeit grosse Werke zu spielen. Und so hat er Puccinis Oper «Turandot», die als Saisoneröffnung gedacht war, hinten angestellt und spielt stattdessen seit Mitte September «Cenerentola». Für diese Rossini-Oper braucht es kein grosses Orchester, der Chor kann minimal klein gehalten werden, und die Solistenschar hält sich in Grenzen. Das Theater Biel Solothurn setzt mit «L’Italiana in Algeri» ebenfalls auf Rossini.
Flexibilität und Kreativität sind gefragt
Vorsorglich hat Cahn im Juli das Orchester zusammengetrommelt, um Leos Janáceks ebenfalls nur von einem grossen Orchester zu bewältigende Oper «Die Sache Makropoulos» einzuspielen. Sollte sich die Lage im Oktober ändern und das Orchester doch nicht im Theater auftreten dürfen, würde man diese Aufnahme abspielen. Der Dirigent würde dann vom leeren Orchestergraben aus die Sängerinnen und Sänger leiten.
Peter Heilker, Operndirektor in St. Gallen, hat den Spielplan wie Cahn in Genf rechtzeitig angepasst. Man startet nun mit Werken mit kleineren Besetzungen in die neue Saison. Später stellt man auf das «System Zürich» um: «Wenn Chor und Orchester im Lauf der Saison grössere Stärken erfordern, wie «Aida» im Januar 2021, können wir aus der Tonhalle übertragen, wo der erforderliche Abstand eingehalten werden kann», sagt Heilker.
Auch das Theater Basel passt sich an. Die Oper «Saint François d’Assise» von Olivier Messiaen kann aufgeführt werden, weil man ein Neuarrangement in Auftrag gegeben hat. Die Originalbesetzung besteht aus 120 Musikern und einem 80-köpfigen Chor. Basel zeigt eine Corona-konforme Version mit 45 Musikern. Der Chor wird seine Stimmen teilweise aufnehmen und zu seiner eigenen Aufnahme singen.
Bei anderen Theatern spielt der Zufall glücklich mit. «Der Luzerner Spielplan steht, und es wird versucht, alle Positionen zu halten», so Operndirektorin Johanna Wall. «Von Vorteil ist hierbei, dass wir mit Werken wie Mozarts ‹Così fan tutte› und ‹Carmen› in der Fassung von Peter Brook von vornherein Werke mit relativ kleiner Sänger- und Orchesterbesetzung auf den Spielplan genommen haben.» Bei anderen Werken, gerade am Anfang der Spielzeit, hat man sich frühzeitig für reduzierte Fassungen entschieden, die man für ebenfalls künstlerisch gültig hält (Janáceks «Das schlaue Füchslein»). Bei Rossinis «Il bar-
biere di Siviglia» hofft man, die Originalfassung spielen zu können.
Die Maske am Sitzplatz ist noch nicht überall Pflicht, verlangt wird sie in St. Gallen, Zürich, Bern und Basel. In Genf gibt es den Sekt in der Pause an der Bar, in Zürich wird nur bei gutem Wetter auf dem Vorplatz des Opernhauses serviert. St. Gallen, Bern und Luzern verzichten auf den Barbetrieb.
Ein Detail noch: An der Opéra de Lausanne soll man die Mäntel bei sich behalten. Klug, denn das Garderobenproblem wird sich rasch zuspitzen. Ein diensthabender Arzt und eine Wärmekamera wollen in Lausanne für optimale Sicherheit am öffentlichen Eingang sorgen.
Unterschiedliche Sitzkonzepte
Die Sitzkonzepte sind sehr unterschiedlich – und immer nach Vorgaben der jeweiligen Kantone. In Bern und St. Gallen werden die Plätze gefüllt. Genf hingegen hat am meisten leere Plätze: Gute 800 statt 1500. 900 statt 1100 Plätze kann und will Zürich anbieten, Solothurn und Biel 200 statt fast 300, Basel 520 statt 856, Luzern 320 statt 480.
Einst wären diese Plätze locker gefüllt worden. Jetzt sind aber trotz geringerem Angebot in praktisch allen Häusern noch Karten zu haben. In Salzburg war es zu Beginn auch so, nach guten Kritiken waren die zwei Opern dann aber ausverkauft.
Auftakt in die Opernsaison
Opernhaus Zürich
Modest Mussorgsky: Boris Godunow Bis Di, 20.10.
Emmerich Kálmán: Die Csárdásfürstin Premiere: Fr, 25.9., 19.00
Luzerner Theater
Rossini: Il barbiere di Siviglia
Premiere: Fr, 25.9., 19.30
Konzert Theater Bern
Verdi: Otello
Premiere: Sa, 10.10., 19.30
Theater Basel
Olivier Messiaen: Saint François d’Assise
Premiere: Do, 15.10., 19.00
Theater St. Gallen
Georg Friedrich Händel: Giulio Cesare in Egitto
Premiere: Sa, 24.10., 19.00
Grand Théâtre de Genève
Leos Janácek: Die Sache Makropoulos
Premiere: Mo, 26.10., 20.00
Theater Biel Solothurn
Rossini: L’Italiana in Algeri Bis Do, 31.12.
Paul Burkhard: Casanova in der Schweiz Premiere: Fr, 30.10., 19.30