Sie durchlebe gerade die letzten Monate ihrer Kindheit, antwortet Ilva Eigus auf die Frage, ob sie noch 17 oder schon 18 sei. Und lacht. 2007 in Zürich geboren, zählt die lettisch-schweizerische Geigerin zu den grössten Talenten im Land. «Sie hat eine grosse Zukunft vor sich», versichert Alexey Botvinov, der Eigus vor zwei Jahren erstmals spielen hörte.
Der bedeutende ukrainische Pianist lebt seit drei Jahren mit seiner Familie in der Schweiz und hat Ilva Eigus für das Auftaktkonzert seiner neuen Konzertreihe in Zürich aufgeboten. Das Duo spielt in der Tonhalle ein Programm mit Sonaten und Suiten von Bach, Brahms, Franck und Schnittke.
Tierfiguren ersetzten in der Kindheit die Noten
«Wir haben das Programm gemeinsam zusammengestellt», erzählt Ilva Eigus in ihrem Zürcher Zuhause. «Ausgehend von Alexeys Vorschlag, César Francks Violinsonate zu spielen, brachte ich Bach und Schnittke ein, die in ihrer tänzerischen Durchsichtigkeit erstaunlich gut zueinander passen.» Wenn die junge Geigerin solche Sätze sagt, wirkt sie wie ein versierter Profi, was sie auch ist. Zur Geige hat sie erstmals mit drei Jahren gegriffen.
«Den Zugang fand ich dank kindlicher Neugierde und Spielfreude», erklärt sie. Die Noten habe sie anfangs durch Tierfiguren ersetzt, mit denen sie sich passende Geschichten ausgedacht habe. «Die Tiere stehen heute noch in meinem Atelier.» Mit acht debütierte sie als Solistin vor einem Sinfonieorchester: «Es war das Violinkonzert von Dmitri Kabalewski», erinnert sie sich.
Mit ihrer ersten Lehrerin Liana Tretiakova spielte sie oft in Russland, 2020 letztmals in Moskau. «Eine Reise nach Russland kommt für mich momentan nicht infrage, weil ich das aktuelle Regime nicht mit meinen Werten vereinbaren kann», sagt sie dezidiert, gibt aber zu bedenken: «Die Kultur trägt keine Schuld am politischen Chaos.»
Kulturelle Offenheit ist ihr auf allen Ebenen wichtig
Eigus’ Mutter stammt aus Lettland, ihre Muttersprache ist Russisch. Lettisch lernt sie gerade, in der Musikszene spricht sie oft Englisch und Französisch, auf dem Zürcher Sofa Züritütsch. Diese kulturelle Offenheit ist der jungen Frau wichtig – auch in der Musik. «Die traditionelle russische Geigenschule meiner Lehrerin war entscheidend, um eine starke Basis auf dem Instrument zu bilden und in die klassische Musik einzutauchen. Ich bin aber stets offener geworden und höre heute alles von Klassik bis Rock und Jazz», sagt die Musikerin, deren Vater Jazzpianist Nik Bärtsch ist.
«Wir besuchen gegenseitig unsere Konzerte und spielen zuweilen auch zusammen.» Ihr Vater sei ihr eine wichtige Inspiration und könne ihr Tipps geben, etwa in Sachen Selbstmanagement. «Meine Eltern sind ohnehin meine wichtigsten Förderer, denn eine Musikkarriere erfordert Zeiteffizienz, Vernetzung und Investitionen wie im Spitzensport.»
Förderung müsse auch von aussen geschehen, betont Pianist Alexey Botvinov. «Das ist eine wichtige Aufgabe etablierter Musiker. Schon in der Ukraine habe ich mit Jungtalenten gespielt, und das führe ich in der Schweiz nun weiter.» Deshalb habe er Ilva Eigus als erste Duopartnerin seiner neuen Reihe eingeladen, in der später weitere Talente, aber auch gestandene Musiker, Literaten oder Visualkünstler auftreten.
Vor Botvinov hat Ilva Eigus mit anderen namhaften Musikern gearbeitet wie Zakhar Bron und Janine Jansen, Daniel Hope oder Maxim Vengerov. Sie besuchte Meisterkurse, Festivalakademien und Wettbewerbe in ganz Europa. Seit zwei Jahren ist ihr Mentor Marc Bouchkov, bei dem sie im belgischen Lüttich studiert und auch das Vorstudium an der Zürcher Hochschule der Künste besucht. «Irgendwann war für mich klar: Musik ist mein Ding, und ich ziehe es durch», sagt Eigus. Ihre Eltern seien bestrebt, ihr ein Leben neben der Musik zu ermöglichen.
«Die Balance zwischen Anstrengung und Loslassen ist enorm wichtig», weiss Eigus. «Ich treibe Sport, lese viel und will informiert sein, was in der Welt läuft.» Selbstmanagement sei aber nur die eine Seite. Wenn es um die Organisation von Reisen oder Eingaben bei Stiftungen gehe, sei sie froh um die Hilfe ihrer Mutter.
Das Fördersystem in der Schweiz sei herausfordernd: «In der Musik setzt man auf Breitenförde-rung, was ich begrüsse.» Als Spitzentalent aber müsse man einen grossen Zusatzaufwand betreiben. Mentor Bouchkov achte darauf, dass sie ein gesundes Verhältnis zwischen Üben und öffentlichen Auftritten habe.
«Ich geniesse es, Musik mit Menschen zu teilen»
Offiziell ist Ilva Eigus noch nicht erwachsen, als Kind aber höchst besonnen. Auf die Frage nach der ersten Albumproduktion meint sie: «Eine CD-Aufnahme ist wie ein Fussabdruck in der Musikgeschichte. Dazu fühle ich mich noch nicht bereit. Im Moment geniesse ich es am meisten, Musik live mit Menschen zu teilen.»
Konzerte mit Ilva Eigus
Streichtrio Eigus, Strohm, Grizard
So, 16.3., 18.00
Ref. Kirche Zollikon ZH
Mit Pianist Alexey Botvinov
Mi, 19.3., 19.30 Tonhalle Zürich
Mit Pianist Rafael Lipstein
Mo, 5.5., 19.00 Postremise Chur
Mit Bodensee Philharmonie Konstanz
Di, 3.6., 19.30 Tonhalle Zürich
www.ilvaeigus.com