Eigentlich ist Kian Soltani fast ein Schweizer. Geboren wurde er 1992 in Bregenz und wuchs in Koblach auf, das zehn Minuten Fussweg von der Grenze im sankt-gallischen Oberriet entfernt liegt. Mit vier Jahren begann Kian mit dem Cellospiel, und bereits mit zwölf konnte er an der Musikakademie Basel mit dem Studium anfangen. Nicht bei irgendwem, sondern bei Ivan Monighetti, einem legendären Cellolehrer, dem letzten Meisterschüler von Mstislaw Rostropowitsch, der unter anderem auch Sol Gabetta oder Nicolas Altstaedt unterrichtete.
Grosser Auftritt mit den Wiener Philharmonikern
Das ist die eine Seite im Leben von Kian Soltani. Die andere bezieht sich auf eine fremde Kultur: Soltanis Eltern, beide Musiker – Fagott und Harfe –, stammen aus dem Iran. Zu Hause wurde Persisch gesprochen. Gerne musizierten sie, nicht nur Klassik, auch die traditionelle persische Musik gehörte dazu. Seine Herkunft hat Kian Soltani geprägt. Und auch wenn er sich früh für die Klassik entschieden hat, so findet er es wertvoll, einen musikalisch breiten Horizont zu behalten: «Ich bin in einer Generation aufgewachsen, die alles zu jeder Zeit hören kann. Und ich versuche, alle Musik auf mich einwirken zu lassen – auch Rock, Pop, Jazz.»
Der Teenager war nicht nur begabt, sondern auch fleissig und erfolgreich. So erhielt er schon früh Engagements und gewann Wettbewerbe. Eine bedeutende Rolle in seiner Karriere nahm schon 2018 Luzern ein: Er gewann damals den prestigeträchtigen Young Artist Award des Lucerne Festivals, der ihm nicht nur die schöne Summe von 75 000 Franken bescherte, sondern vor allem auch einen Auftritt mit den Wiener Philharmonikern. Soltani wählte dafür das Cellokonzert von Dvorák.
Da hatte er den Vertrag mit dem gelben Klassiklabel, der Deutschen Grammophon, bereits in der Tasche. Sein Debütalbum spiegelt seine Biografie: Schuberts Arpeggione-Sonate kombinierte er mit einer Auftragskomposition über persische Lieder von Reza Vali. Das Dvorák-Konzert nahm er auch bald auf, unter der Leitung von Daniel Barenboim, einem weiteren seiner wichtigen Mentoren, der ihn schon früh für sein West-Eastern-Divan-Orchester als ersten Cellisten engagierte.
Für sein jüngstes Album, das Cellokonzert von Schumann, verzichtete Kian Soltani dann aber ganz auf einen Dirigenten: «Schumanns Cellokonzert ist ein wahnsinnig sensibles, einfühlsames Stück und extrem persönlich. Seine Sprache ist fast schon zerbrechlich und sehr poetisch und bleibt immer gesanglich.» Kein Problem für die Camerata Salzburg: Das Orchester ist das Spielen ohne Dirigent gewohnt.
Sogar ganz auf ein Orchester verzichtete Kian Soltani für sein Album «Cello Unlimited», mit dem er sich den Herzenswunsch erfüllte, seine riesige Leidenschaft für das Kino auszuleben. Er schnappte sich seine Lieblingsmelodien aus Hits von Hans Zimmer oder Howard Shore wie «Herr der Ringe» oder «Fluch der Karibik» und spielte auch gleich alle Stimmen selbst auf seinem Cello.
Eine gewisse Demut ist angesagt
Dass er ein Album ganz alleine macht, bedeutet keineswegs, dass Kian Soltani menschenscheu wäre. Im Gegenteil. Zum Beispiel ist er ein leidenschaftlicher Kammermusiker, er spielte nicht nur mit Barenboim oder Anne-Sophie Mutter, sondern nutzte etwa auch seine Residenz beim Tonhalle-Orchester letztes Jahr für Konzerte mit den Zürcher Musikern. Gerade zu den Cellisten stellt sich oft schnell ein freundschaftliches Verhältnis ein, erzählt er: «Cellisten sind nette Menschen. Natürlich bin ich da nicht ganz neutral in dieser Frage, aber das sagen andere Musiker auch oft.»
Das hänge vielleicht auch mit der Rolle des Cellos in der Musikgeschichte zusammen: «Als Cellist lernt man, sich zurückzunehmen, während meistens die erste Geige den Ton angibt. Das Cello hat oft die Bassfunktion. Man trainiert ganz automatisch eine gewisse Bescheidenheit. Das fördert die Freundlichkeit. Und möglicherweise liegt es auch daran, dass wir stets unser acht Kilo schweres Instrument auf dem Rücken tragen, das sorgt vielleicht auch für eine gewisse Demut.»
Bei seinen Auftritten mit dem Luzerner Sinfonieorchester spielt Kian Soltani die «Sinfonia concertante» von Sergei Prokofjew und damit eines der vielen grossen Cellokonzerte, die von Mstislaw Rostropowitsch inspiriert wurden. Neben Prokofjew gehören dazu etwa Britten, Schnittke und vor allem Schostakowitsch. Kian Soltani mag diese Seite seines Instruments besonders gerne: «Ich habe eine Affinität zur russischen Musik des 20. Jahrhunderts. Vielleicht liegt es daran, dass ich bei einem russischen Lehrer studiert habe.»
Zahlreiche wundervolle Solopassagen
Dass alles Russische im Moment wegen Putin im Gegenwind steht, findet Kian Soltani ungerecht: «Ein Komponist wie Schostakowitsch hat ja in seinem Leben bereits genug unter Zensur gelitten, erneute Zensur verdient er nicht.» Das gilt auch für Sergei Prokofjew, der sich nach Jahren in Frankreich 1936 entschloss, in die stalinistische Sowjetunion zurückzukehren.
Seine «Sinfonia concertante» spiegelt diese Lebensgeschichte: Entwürfe und Ideen führten schon 1933 zu einem Cellokonzert, mit dem aber kaum jemand zufrieden war. Zusammen mit Mstislaw Rostropowitsch nahm Prokofjew 1950 eine komplette Neufassung in Angriff, die dem Cello zahlreiche wundervolle Solopassagen bietet – aber technisch auch höchst herausfordernd ist.
Konzerte
Soltani spielt Prokofjew und Tschaikowsky
Mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter Stanislav Kochanovsky
Mi/Do, 19.2./20.2., 19.30
KKL Luzern
Alben
Kian Soltani – Schumann
Cellokonzert & Lieder
(DG 2024)
Kian Soltani
Cello Unlimited – Filmmusik von Hans Zimmer, Howard Shore u. a.
(DG 2021)