Kleines Quiz: Wer ist der beste klassische Flötist heute? Emmanuel Pahud? Einverstanden. Der beste Oboist? Albrecht Mayer? Auch einverstanden. Der zweitbeste? Vielleicht François Leleux? Genau. Der beste Klarinettist? Martin Fröst? Andreas Ottensamer? Oder Paul Meyer? Den nehmen wir. Dazu den Fagottisten Gilbert Audin und den Hornisten Radovan Vlatkovic, die beide auch zu den besten ihres Instruments gehören. Und schon haben wir ein Who’s who der internationalen Holzbläser-Szene und ein All-Star-Quintett, das man sich kaum besser vorstellen kann.
Die Chemie stimmt bis heute
Und das Beste daran: Es gibt diese Woodwind-Supergroup wirklich! Les Vents Français haben sich vor über 20 Jahren formiert. Lose zuerst, einfach weil sie Lust hatten, das unterschätzte Repertoire für Holzbläser-Quintett auszukundschaften. Dieses hat vor allem in Frankreich seit etwa 1800 eine grosse Tradition. Paul Meyer, die treibende Kraft hinter der Idee, erinnert sich: «Ich fand es immer schon schade, dass jeder nur seine eigene Konzert-Karriere verfolgt und in seiner Interpreten-Ecke steckt und dass sich niemand dafür engagierte, die Qualität der Musik für Bläserensembles zu verteidigen. Also habe ich es selbst in die Hand genommen, habe die Kollegen angerufen, die ich kannte, und sie zu begeistern versucht für diese Idee.»
Das war vor 25 Jahren. Die Freude blieb, die Chemie stimmt bis heute, und so sind Les Vents zum festen Markenzeichen in den Konzertkalendern geworden. Wenn es denn die Terminkalender dieser viel gefragten Solisten erlauben. Sie müssen sich Jahre im Voraus ein paar Wochen und Monate vormerken, in denen ein absolutes Verbot herrscht, ein anderes Angebot anzunehmen – und sei es noch so reizvoll. Ansonsten würden sie es nie schaffen, überhaupt nur ein einziges Konzert zusammen zu geben, sagt Emmanuel Pahud und freut sich, dass über all die Jahre die Energie und Freude unter den fünf Bläserkollegen erhalten geblieben und die anfangs lose Beziehung zu einer wahren Freundschaft geworden ist. Und dass sie sich neben der Lust am Musizieren alle auch auf der Suche nach höchstmöglicher musikalischer Qualität einig sind: «Diese Besetzung verlangt viele Automatismen, etwa in Intonation, Phrasierung, Dynamik. Das geht nur mit Musikern, die es gewohnt sind, aufeinander zu hören, und sich gegenseitig sehr gut kennen.»
Das Etikett «français»passt in vielerlei Hinsicht
Wobei gleich zu sagen ist: Das Quintett ist eigentlich ein Sextett, denn als Sechster im Bunde ist der Pianist Eric Le Sage festes Mitglied der Vents Français. Neben dem klassischen Bläserquintett aus Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn haben viele Komponisten einerseits als Harmonie- und Rhythmus-Instrument oft und gerne ein Klavier hinzugefügt oder andererseits aus dem Quintett eines oder zwei der Stamm-Instrumente durch einen Flügel ersetzt. Das Etikett «français» passt dabei nicht nur, weil fast alle Franzosen sind oder im Fall des Genfers Pahud immerhin aus dem frankofonen Sprachraum stammen. Sondern auch, weil sie sich mit viel Freude dem französischen Repertoire widmen, das für gemischte Bläser-Besetzungen entstanden ist. Vor allem in der Romantik, der Jahrhundertwende und der frühen Moderne sind zahlreiche herausragende Werke entstanden, von Komponisten wie Maurice Ravel, Francis Poulenc, Darius Milhaud oder André Caplet.
Aber nicht nur Werke dieser grossen Meister haben sie im Repertoire, sondern auch zahlreiche Stücke von wenig bekannten Komponisten bis hin zu ganz neuen, eigens für sie geschriebenen Werken. Musikalische Alchimisten seien sie, wurde schon geschrieben, die auch die unscheinbarste Schöpfung unbekannter Kleinmeister in pures Gold verwandeln würden. Sieben CDs mit Musik von der Klassik bis zum 20. Jahrhundert haben sie für Warner Classics zusammen aufgenommen: Spiegel des Repertoires für ihre Besetzung, mit Musik von Mozart und Beethoven über Hindemith und Carl Nielsen bis hin zu wenig bekannten Tonschöpfern wie August Klughardt oder Louis Spohr.
Bei ihrem Konzert in der Reihe Société de la Musique in La Chaux-de-Fonds spielen Les Vents Français in der für ihre Akustik weltberühmten Salle de Musique auch jenes Werk, das einer der Gründe war, warum sie sich zum Ensemble formierten: das Sextett für fünf Bläser und Klavier von Francis Poulenc. Ein quirliges Stück, das mit seiner Lebensfreude und rhythmischen Energie auch den griesgrämigsten Skeptiker für die Musik des 20. Jahrhunderts zu begeistern vermag.
Auch Raritäten kommen zum Zug
Auf dem Programm steht auch Mozart, sein Quintett für Bläser und Klavier KV 452, auf das der grosse Meister offenbar besonders stolz war. Nicht fehlen dürfen die Variationen über die Charme-Arie «Là ci darem la mano» aus Mozarts «Don Giovanni», die Beethoven für Flöte, Klarinette und Fagott arrangierte.
Auch Raritäten bietet das Programm im Jura, ein Bläserquintett des deutschen Romantikers August Klughardt und die Sonate für Flöte, Oboe, Klarinette und Klavier von Darius Milhaud.
Konzert
Les Vents Français
Mozart, Beethoven, Milhaud, Poulenc u.a.
So, 16.1., 17.00 Salle de Musique
La Chaux-de-Fonds
Cds
Paul Hindemith
Sonaten für Bläser und Klavier
Romantique
Quintette von August Klughardt, George Onslow und Louis Spohr
(Warner 2020)Warner 2021)
Klassik im Jura
Seit über 125 Jahren existiert die Société de Musique in La Chaux-de-Fonds und veranstaltet hochkarätige Klassik-Konzerte in der wegen ihrer ausgezeichneten Akustik weltberühmten Salle de Musique. 1896 konnte man ein Orgelkonzert mit Camille Saint-Saëns präsentieren, das am 9.1. zum 100. Todesjahr des Komponisten erneut programmiert wird. In den folgenden Wochen gastieren etwa das Jerusalem String Quartet mit Mendelssohn, Schostakowitsch und Beethoven (28.1.), das Alban Berg Ensemble Wien mit Mahler, Schönberg oder Richard Strauss (20.2.) oder die Pianistin Ragna Schirmer (24.2.) mit einem Programm rund um Clara Schumann.
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