Kiran Nagarkar «Ich nehme mich nicht so ernst»
Mit «Gottes kleiner Krieger» hat Kiran Nagarkar 2006 an der Frankfurter Buchmesse für Aufsehen gesorgt. Der indische Autor ist Writer in Residence des Zürcher Literaturhauses.
Inhalt
Kulturtipp 19/2011
Letzte Aktualisierung:
04.03.2013
Claudine Gaibrois
Wir sitzen an einem prächtigen Spätsommer-Morgen am Zürichsee-Ufer. «Sie erinnern mich an meinen Grossvater», sagt eine junge Frau im Vorbeigehen zu Kiran Nagarkar. «Da sehen Sie, wie alt ich bin», meint der indische Schriftsteller, der nächstes Jahr 70 wird, mit einem Augenzwinkern. Und dann, in ernstem Ton: «Das Klischee besagt, dass die Schweizerinnen und Schweizer nicht sehr freundlich sind. Aber sie können es durchaus sein.»
Wir sitzen an einem prächtigen Spätsommer-Morgen am Zürichsee-Ufer. «Sie erinnern mich an meinen Grossvater», sagt eine junge Frau im Vorbeigehen zu Kiran Nagarkar. «Da sehen Sie, wie alt ich bin», meint der indische Schriftsteller, der nächstes Jahr 70 wird, mit einem Augenzwinkern. Und dann, in ernstem Ton: «Das Klischee besagt, dass die Schweizerinnen und Schweizer nicht sehr freundlich sind. Aber sie können es durchaus sein.»
In diesen zwei spontanen Sätzen zeigt sich das ständige Pendeln zwischen Humor und Ernsthaftigkeit, das den Writer in Residence des Zürcher Literaturhauses kennzeichnet: «Ich nehme mich nicht so ernst», betont Nagarkar. «Ich bin sooo altmodisch», sagt er etwa selbstironisch, wenn er von seiner Liebe zur klassischen indischen Musik spricht – um im nächsten Atemzug vehement das sinkende Niveau der zeitgenössischen Musikinterpreten zu kritisieren.
Diese Haltung zu sich und der Welt zieht sich durch das literarische Schaffen des Autors: «Ich habe sehr ernste Bücher geschrieben, aber Humor spielt in meinen Werken auch eine wichtige Rolle» – etwa in seinem vielgepriesenen Werk «Gottes kleiner Krieger», einer Auseinandersetzung mit dem fundamentalistischen Terror. Das Werk sei, hiess es einmal auf dem TV-Sender ARD, «mal Slapstick und Satire, mal ernst wie ein Herzinfarkt, immer aber respektlos vor jeder Form von weltlicher oder göttlicher Autorität». Auch im Gespräch betont Nagarkar, der sich als «totales Kind von Bombay» bezeichnet – nicht von Mumbai notabene, wie die Stadt seit 1996 auf Betreiben rechter Hindu-Politiker heisst: «Für mich ist das Wichtigste der Mensch.» Patriotismus tue «niemandem auf irgendeine Weise gut», sagt der skeptische Intellektuelle dezidiert: «Meine Position im Leben ist: ‹Ich weiss nicht.›»
Passend antwortet Kiran Nagarkar auf die zwingende, bestimmt schon hundertfach gestellte Frage nach seinen Eindrücken von der Schweiz: «Ich fälle keine Urteile, denn ich kenne das Land nicht.» Und der Reichtum der Schweiz; stösst ihn der nicht ab? «Man hat mir erzählt, dass hier auch arme alte Menschen im Altersheim betreut werden. Ich finde das fantastisch», sagt der Autor, der «nicht akzeptieren kann, dass Menschen verhungern». Nagarkar, der aus der unteren Mittelschicht stammt, betont, er könne seinen Eltern nicht genug dankbar sein, dass sie ihm und seinen Geschwistern eine Ausbildung ermöglichten – in seinem Fall das «völlig nutzlose» Studium der englischen Literatur. «Mein Punkt ist nicht, dass die, die viel besitzen, nichts mehr besitzen sollen. Aber die, die nichts haben, sollen auch etwas bekommen.»
[Buch]
Buch: Gottes kleiner Krieger
(A1 Verlag 2006).
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