Ein bitterböses Remake aus dem verschneiten Minnesota, eine dänische Journalistin in Nöten, ein US-amerikanisches Ermittler-Duo auf der Suche nach einem Serienmörder und unbeschönigte Mafia-Realität aus Italien: So vielfältig die Themen sind, eines haben die vier Serien gemeinsam. Sie überzeugen auf der ganzen Linie – in Inszenierung, Produktion und schauspielerischer Qualität. Und sie versprechen mehr als nur einen Abend Unterhaltung.
Fargo
Man nehme einen tollpatschigen Versicherungskaufmann, seine fordernde Frau, eine Handvoll naiver Polizisten, ein Gangster-Duo, einen Auftragskiller und eine Wagenladung schwarzen Humors. Das alles verfrachte man ins tief verschneite Bemidji in Minnesota: Heraus kommt eine bizarre und höchst unterhaltsame Serie. «Fargo» ist lose auf dem Film der Coen-Brüder von 1996 aufgebaut und orientiert sich wie dieser im weitesten Sinn an der Geschichte von Drehbuchautor Noah Hawley.
Die Story läuft schon nach wenigen Szenen aus dem Ruder: Eine Gruppe von ganz alltäglichen Kleinstadt-Figuren wird durch einen Mord auf die Probe gestellt. Im Fokus steht dabei der kleine Versicherungsangestellte Lester Nygaard (Martin Freeman), der durch eine Reihe von Zufällen immer tiefer in den Schlund des Verbrechens gerät, sowie die naiv-schlaue Polizistin Molly Solverson (Alison Tolman), die vergeblich gegen die schlichte Faktenblindheit ihres Vorgesetzten ankämpft. Im eigentlichen Zentrum dieser rabenschwarzen Krimi-Serie steht aber der zur Höchstform auflaufende Billy Bob Thornton in der Rolle eines ausgefuchsten Killers. Was zu Beginn vor allem absurd und komisch wirkt, artet schon bald zu einer für alle Beteiligten ausweglosen Situation aus. Nur einer kann sich dabei ein fieses Grinsen nicht verkneifen: der höchst amüsierte Zuschauer. Doch auch diesem wird das Lachen ob aller unerwarteten Wendungen der Geschichte bald im Hals steckenbleiben.
DVD
Fargo (bisher erst in Englisch)
4 DVDs, 561 Minuten
20th Century Fox Home Entertainment
TV
Die gesamte 1. Staffel auf Online-Pay-TV Netflix (www.netflix.ch)
Dicte
Die 40-jährige Journalistin Dicte Svendsen (Iben Hjelje), die für das «Tageblatt» im dänischen Aarhus arbeitet, steckt ihre Nase überall rein – und muss darum oft einen Schlag auf ebendiese erdulden. In der ersten Folge der dänisch-deutschen Co-Produktion findet sie auf der Strasse eine junge Bosnierin, die nach einem Kaiserschnitt verblutet ist. Beherzt begibt sie sich selbst in Gefahr, als sie den Hintergründen nachgeht – und das nicht nur für eine gute Zeitungsstory, sondern auch aus Empathie. Dabei stösst sie auf einen Menschenhändler-Ring und kommt dem Chefermittler John Wagner (Lars Brygmann) gehörig in die Quere.
Die fünfteilige Serie wirft gesellschaftlich brisante Themen auf und liefert eine packende Mischung aus Krimi und Drama, inklusive einer Prise Herz und Humor. Die privaten Verwicklungen der selbsternannten Detektivin sind ebenso wichtig wie die Lösung des Falls. Die erste Folge blendet zurück in Dictes Vergangenheit, als die damals 16-Jährige ihr Kind zur Adoption freigeben musste, weil ihre Eltern Anhänger der Zeugen Jehovas sind. Inzwischen ist sie frisch geschieden, Mutter einer aufbegehrenden Teenager-Tochter, sucht noch immer nach ihrem verlorenen Sohn und lässt sich tatkräftig von ihren beiden Freundinnen unterstützen. «Dicte» erinnert an die erfolgreiche dänische Serie «Kommissarin Lund», kommt aber gemächlicher, weniger brutal und düster daher.
DVD
Dicte
3 DVDs, 450 Minuten
Studio Hamburg Enterprises
(erscheint am 16.1. auf Deutsch)
TV
Die erste Staffel läuft auf ZDFneo,
jew. Sa, 21.45 (bis 20.12.)
(die einzelnen Episoden sind in sich abgeschlossen)
True Detective
Die Miniserie aus der Feder von Nic Pizzolatto stellt in Qualität und Intensität alles Bisherige in den Schatten. In acht Folgen blicken der abgehalfterte Detective Rust Cohle (brillant: Matthew McConaughey) und sein Partner Detective Martin Hart (Woody Harrelson) auf ihre Ermittlungen in einer Reihe von kultisch wirkenden Morden im Jahr 1995 zurück. Die Rahmenhandlungen dazu liefern die Befragungen der Detektive 17 Jahre später.
Der Zuschauer wird mit der düsteren Stimmung in der Küstenebene von Südlouisiana sowie den schwierigen Psychogrammen der Detektive konfrontiert. Die Ermittlungen führen die zwei grundverschiedenen Partner an ihre persönliche und berufliche Schmerzgrenze. «True Detective» bietet grosses, spannungsgeladenes Kino im Serienformat: nervenaufreibend, bitterböse, fesselnd.
DVD
True Detective
3 DVDs, 420 Minuten,
Warner Home Video
TV
Folgen 1–4: Sa, 13.12., 16.00
Sky Atlantic HD
Folgen 5–8: So, 14.12., 16.00
Sky Atlantic HD
Gomorrha
Er hat das Revier der allmächtigen Familie missachtet und sich, statt als Dealer beim Hasch zu bleiben, ins viel lukrativere Kokain-Business eingemischt. Dafür muss er nun büssen: Die Eröffnungssequenz von «Gomorrha» zeigt, wie zwei Mafiosi die Wohnung eines aufmüpfigen Mitbewerbers des Camorra-Bosses Don Pietro ausräuchern.
Familien-Romantik wie in «Der Pate» sucht der Zuschauer in der Serie «Gomorrha», die auf dem gleichnamigen Roman des italienischen Journalisten Roberto Saviano aufbaut, vergeblich. Vielmehr wird die unbeschönigte Realität in Siziliens Mafia-Hochburg Palermo gezeigt. Die Kulisse dafür bieten Elendsviertel, die vornehmlich von Drogenjunkies und Dealern bevölkert werden. Diese müssen auch mal für das Aufnahmeritual des verhätschelten Filius des Mafiapaten – Schüsse auf einen unschuldigen Junkie – herhalten. Dabei stellt sich die Frage: Ist diese brutale Gewaltdarstellung wirklich notwendig? Die Antwort lautet: Ja. Nur so bekommt der Zuschauer ein Gefühl dafür, mit welcher Härte die Mafia auch heute noch operiert. Wer sich das nicht antun möchte, kann auf den Klassiker von Francis Ford Coppola zurückgreifen und damit die Realität verdrängen, verpasst dabei aber eine hochspannende Serie.
DVD
Gomorrha (bisher erst in Italienisch mit englischen Untertiteln)
4 DVDs, 586 Minuten, Arrow Films
TV
Jeweils Fr, 21.00
Sky Atlantic HD
im Frühjahr 2015 auf Arte