Der Frosch strahlt grün, die Bühne rot und Prinzessin Maya in Hellblau mit Krönchen. Märchen können vieles sein. Auf der Zürcher Märchenbühne sind sie zuerst einmal: knallbunt. Und exakt so, wie sie seit «Es war einmal» immer waren. Denn vielleicht sind Märchen (neben Weihnachtsguetzli) das einzige Business, in dem man mit Tradition mehr punktet als mit Innovation – zumindest bei den Kindern an diesem Novembernachmittag. Mit ihren Eltern, Grosseltern oder Göttis an der Hand hüpfen sie ins ausverkaufte Theater am Hechtplatz, das sich für die kleinen Zuschauer in ein Tor zur Märchenwelt verwandelt.
Auf dem Programm steht das Dialektmärchen «Der Froschkönig». Als es losgeht, hält die fünfjährige Eva die Hand der Mutter noch immer, drückt ihre ganze kindliche Vorfreude und Aufregung hinein.
In derselben Liga mit Goethes «Faust»
Auch die übrigen Mädchen und Jungen lauschen gebannt. Wenn Stille im Saal ein Gradmesser für gutes Theater ist, dann spielt der von Erich Vock inszenierte «Froschkönig» mit Goethes «Faust» in derselben Liga.
Mit offenem Mund folgt Eva der Geschichte. Als der Froschkönig von seiner Verzauberung erzählt, ist die Kindergärtnerin selbst wie verzaubert. Denn schliesslich war der Frosch ein echter Prinz, der nur durch eine Prinzessin erlöst werden kann. Ob ihm das gelingen wird, wird bereits wenige Minuten später zur Nebensache. Denn nun beschimpft der neunmalkluge Hofgelehrte (Daniel Bill) den mit ihm zusammenprallenden Menschen als «Trottel», bis er merkt, dass er es dummerweise mit König Huppala (Thomas Meienberg) zu tun hat. Und ebendiese königliche Majestät kurvt plötzlich mit dem Trotti über die Bühne. Denn die Produktion staffiert das Märchen mit einigen bühnenwirksamen Figuren (darunter die liebenswert zickigen Hofdamen alias Karin Moser und Bettina Kuhn) und einer Prise Slapstick aus. Ein Kunstgriff, der seine Wirkung nicht verfehlt: Explosionsartig schnellt der Lärmpegel in die Höhe.
Pointen samt Sprachwitz für die Erwachsenen
So herzlich kann kein erwachsenes Publikum lachen. Obwohl die Märchenbühne auch an die Grossen denkt. So fehlt es nicht an Pointen samt Sprachwitz, etwa wenn der Intellektuelle zum «Internetuellen» wird, die Spinne «networken» darf und die goldene Kugel in der «Endstation Tiefenbrunnen» landet.
Tiefschürfender wird der Humor nicht. Aber ganz nach dem Motto «sei kein Frosch» muss er das auch nicht. Nicht für ein Märchen, bei dessen Finale die knallbunte Moral von der Geschicht’ nicht fehlen darf. «Versprechen muss man halten», sagt Papa König zu Prinzessin Maya (Ramona Fattini) – und löst damit die kusstechnische Korrektur vom quakenden Vierbeiner zum heiratswilligen Prinzen aus. «Wow», urteilt die achtjährige Liv fachkundig. «Die Verwandlung ist megacool gemacht.» Derweil staunt die fünfjährige Eva noch immer mit offenem Mund. Erst beim Schlussapplaus verrät sie, was sie von der Sache hält: «Nochmal!»
Froschkönig
Ab 4 Jahren
Bis So, 31.3.
Theater am Hechtplatz Zürich
www.theaterhechtplatz.ch
5 Fragen an Petra Fischer, Leiterin junges Schauspielhaus Zürich
«Was live ist, hat eine besondere Magie»
kulturtipp: Petra Fischer, das Kindertheater gehört zur Vorweihnachtszeit. Warum ist das so?
Petra Fischer: Historisch entstanden die Familienstücke in der Weihnachtszeit um 1869 aus ganz profanen Gründen. Man wollte die Zuschauerzahlen ankurbeln. Und eine Familie besteht meist aus mehreren Personen. Wobei das nicht der beste Grund ist, um Theater zu machen.
Was ist der beste Grund?
Dass man abgeholt wird mit Dingen, die man kennt, und einen Blick auf sie werfen kann, den man im Alltag vielleicht nicht wirft. Das geschieht bei Kindern anders als bei Erwachsenen, weil Erwachsene eine längere Lebenserfahrung haben. Theater verstehe ich deshalb als Ort, wo unterschiedliche Menschen und Meinungen zusammenkommen. Denn die Theater-Geschichten kommen aus unserer Welt. Und die ist bei allen dieselbe.
Aktuell zeigt das Schauspielhaus «Der satanarchäolügenialko-höllische Wunschpunsch» von Michael Ende. Weshalb dieses Stück?
Es erzählt eine Geschichte, in der die Existenz der Welt auf dem Spiel steht. Eine Erfahrung, die Kinder und Erwachsene machen. Wir machen uns Sorgen und gleichzeitig handeln wir, als wenn wir nichts wüssten. Das bringen wir nun auf der Bühne miteinander in Widerstreit. Mit Hilfe aller Mittel, welche die grosse Bühne im Pfauen bietet.
Braucht es für Kinder immer auch Spektakel?
Theater ist immer Spektakel, wenn man darunter nicht nur aufwendiges Äusseres versteht. Die Bühne soll nie eins zu eins das Leben abbilden. Das kennen wir ja schon. Mein Massstab ist, dass jeder Zuschauer ein Stückchen anders aus dem Theater rausgeht, als er reingegangen ist. Mit einem Gedanken, den man so noch nie gedacht hat. Oder mit einem Gefühl, das man noch nie erlebt hat – zumindest nicht in Bezug auf das Gesehene.
Hat das Live-Theater bei Digital Natives, die mit Apps und Games aufwachsen, überhaupt eine Chance?
Was live ist, hat immer eine besondere Magie. Noch Jahrzehnte später können wir uns an gewisse Theaterstücke erinnern. Nicht als Ganzes, aber als Bilder. Deshalb sollte nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über Kindertheaterzeit sein.
Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
Regie: Christina Rast
Ab 7 Jahren
Premiere: Sa, 10.11., 17.00 Schauspielhaus Zürich
Aktuelle Kindertheater
Frederick
Premiere: Mi, 14.11., 15.00
Figurentheater Luzern
Ab 4 Jahren
Pollicino
Premiere: Fr, 16.11., 19.30
Stadttheater Biel
Ab Sa, 24.11.
Stadttheater Solothurn
Ab 6 Jahren
Neues vom Räuber Hotzenplotz
Premiere: Sa, 17.11., 14.00
Theater St. Gallen
Ab 5 Jahren
Hänsel und Gretel
Premiere: So, 18.11., 17.00
Opernhaus Zürich
Ab 8 Jahren
Grosse Bären weinen auch
Premiere: Di, 20.11., 13.30
Luzerner Theater
Ab 6 Jahren
Herr der Diebe
Premiere: Fr, 30.11., 18.00
Theater Basel
Ab 6 Jahren
Donkey, der Schotte und das Pferd, das sich Rosi nannte
Premiere: Fr, 7.12., 10.00
Stadttheater Bern
Ab 6 Jahren
Cinderella
Premiere: Sa, 8.12., 14.00
Theater Chur
Ab 5 Jahren
Pinocchio – Über das Leben in allen Dingen
Premiere: Sa, 8.12., 17.00
Theater Stadelhofen Zürich
Ab 7 Jahren