Gelbe Sonnenstrahlen rollen wie Wellen über die Bühne des Luzerner Theaters. Das kleine Gespenst erwacht – zum ersten Mal tagsüber. Als animierte Figur schwebt es über die Bühne, blinzelt mit riesigen Augen ins Publikum, seine Stimme erklingt, eingesprochen von der Luzerner Theatermusikerin und Slam Poetin Lisa Brunner. Das Luzerner Theater probt den Klassiker von Ottfried Preussler: die Geschichte über das kleine Gespenst auf Burg Eulenstein, das sich nichts sehnlicher wünscht, als einmal die Welt bei Tag und nicht nur zur Geisterstunde zu sehen. Für die Inszenierung ist das Regie-Duo Dóra Halas und Fruzsina Nagy zuständig.
Traditionelle Musik mischt sich mit Kinderliedern
Erstmals auf der Luzerner Bühne wird eine Figur, sogar die Hauptfigur des Stücks, nur als Animation mitspielen. Das Gespenst schwebt als Projektion über die Bretter, unterhält sich mit Darstellern und Chorsängerinnen, taucht auf und ab in Brunnen, Kanalisationen und auf den Plätzen in Luzern.
Auf der Bühne stehen neben dem Gespenst 15 Personen des Lucerne City Choir und drei Mitglieder des Schauspiel-Ensembles. Gerade stöckeln diese in Probenkleidern über die Bühne, singen, stocken, starten erneut. «Nach em Räge schint Sunne» mischt sich mit «Here Comes the Sun» von den Beatles. Für die Musik haben Dóra Halas und Lisa Brunner eng zusammengearbeitet. Die Slam Poetin besuchte die Regisseurin in der ersten Phase auch in deren Heimat Budapest. Entstanden sind dabei eigene Kompositionen: Kombinationen aus traditioneller Musik, Schweizer Kinderliedern und zeitgenössischen Hits. «Es ist eine Mischung aus Musiktheater, Schauspiel und Trickfilm – mit viel Chor», sagt Dramaturg Gábor Thury. Der gebürtige Ungare waltet im Theater aktuell auch oft als Übersetzer. In der Probe klingen Englisch, Ungarisch und die unterschiedlichsten deutschen Dialekte durcheinander.
Aufwendige Kostüme und ein reduziertes Gespenst
Mittendrin diskutiert Illustrator und Animator François Chalet, Dozent der Hochschule Luzern, der sich um die Auftritte des kleinen Gespenstes kümmert. Eine grosse Herausforderung, an welcher Chalet seit Monaten arbeitet. «Es war eine lange Suche – doch mittlerweile bin ich gefühlt mit dem Charakter verschmolzen.» Sein Gespenst kommt, entgegen dem aktuellen 3D-Trend, grafisch reduziert daher, minimal und abstrakt. «Das lässt einerseits viel Platz für eigene Projektionen des Publikums», sagt Chalet. Zudem konkurrenziere das Gespenst so nicht mit den aufwendigen Kostümen.
Im Luzerner Theater wird bei der Kindertheaterproduktion nicht gespart. Diese ist genauso aufwendig wie Opern oder Schauspielproduktionen. Besonders bei der Ausstattung wird mit über 70 unkonventionellen Kostümen gross aufgefahren. Ein visuell-musikalisches Theatererlebnis, Kunst für Kinder und Erwachsene soll es werden.
Die Stadt Luzern, in der das kleine Gespenst sich bewegt, wird in den Kostümen von Fruzsina Nagy lebendig. Da diskutieren das KKL, das Rathaus, der Fischstand – und dazu singen das Dampfschiff und der kleine blaue Citytrain mit. Marktstände sind Figuren, Gebäude sprechen und bewegen sich. Die Kostüm-Skizzen wirken wahnsinnig. Schon 2018 hatte Nagy mit ihren aberwitzigen Toilettenpapier-Kostümen für das Stück «Im Amt für Todesangelegenheiten» für Begeisterungsstürme gesorgt.
Nun macht sie sich, gemeinsam mit Regie-Kollegin Halas, erstmals an ein Kindertheater. International bekannt ist das Duo durch seine Inszenierungen, die gesellschaftskritische Themen in den Fokus stellen – mit Kostümen und Musik stets in tragenden Hauptrollen.
«Glückliche Begegnung mit einem Klassiker»
Die Geschichte vom kleinen Gespenst zählt in der Schweiz neben «Der Räuber Hotzenplotz» und «Die kleine Hexe» zu den bekanntesten Kinderbuchklassikern von Ottfried Preussler. Nicht so in Ungarn. Dort erschien das Buch erst kürzlich in Ungarisch. «Es war eine äusserst glückliche Begegnung mit einem Klassiker, den wir vorher nicht kannten», sagt Co-Regisseurin Dóra Halas. Ihre Regie-Partnerin Fruzsina Nagy war besonders von der Struktur der Geschichte angetan: «Man blickt in unterschiedliche Welten und Abenteuer hinein. Dies eignet sich für unsere Form des Inszenierens: Durch Episoden mit Musik und Kostümen entsteht eine Kette von Szenen, die das grosse Ganze erzählen.» Und damit eine Geschichte, in der die Angst, fremd zu sein, genauso eine Rolle spielt wie das Thema Hilfsbereitschaft und der Spass am Entdecken von Neuem.
Das kleine Gespenst
Premiere: Di, 19.11., 13.30 Luzerner Theater
Die schönsten Kindertheater und -musicals der Saison
Pippi Langstrumpf
Märlimusical ab 4 Jahren
Bis So, 5.4., Theater am Hechtplatz Zürich
Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse
Musiktheater ab 7 Jahren
Wiederaufnahme ab Sa, 9.11.
Studiobühne Opernhaus Zürich
Schneewittchen Beauty Queen
Theater ab 8 Jahren
Premiere: So, 10.11., 16.00 Schauspielhaus Zürich
Der Wunschpunsch
Theater ab 6 Jahren
Premiere: Sa, 16.11., 15.00
Bernhard Theater Zürich
Coraline
Familienoper ab 8 Jahren
Premiere: Sa, 16.11., 17.00 Opernhaus Zürich
Alice im Wunderland
Theater ab 5 Jahren
Premiere: Sa, 9.11., 14.00
Theater St. Gallen
Frederick
Figurentheater ab 4 Jahren
Bis So, 26.4.
Figurentheater St. Gallen
Cengalo, der Gletscherfloh
Franz Hohlers Stück ab 6 Jahren
Premiere: Fr, 15.11., 18.00 Stadttheater Bern
Schellen-Ursli
Familienoper ab 6 Jahren
Premiere: Fr, 29.11., 18.00
Theater Basel
D’ Zäller Wiehnacht
Theater ab 6 Jahren
Premiere Theater Biel: Fr, 15.11., 18.00
Premiere Theater Solothurn: Do, 21.11., 18.00
Pippi in Taka-Tuka-Land
Piratenmusical ab 5 Jahren
Premiere: Sa, 23.11., 11.00
Casinotheater Winterthur
Bobelog – Warum tanzen die Sterne
Figurentheater ab 5 Jahren
Premiere: Mi, 27.11., 15.00 Figurentheater Luzern
Ronja Räubertochter
Theater ab 5 Jahren
Premiere: Sa, 7.12., 14.00
Theater Chur
Heidi, wo bisch du dihei?
Märlimusical ab 4 Jahren
Schweizer Tournee bis So, 29.3.:
www.musical.ch/de/maerlimusical