Kind sein im Versteckten
Argentinien 1979, Militärdiktatur, eine Kindheit im Untergrund: Davon erzählt der Argentinier Benjamin Ávila in seinem autobiografisch geprägten Film «Infancia Clandestina» auf berührende Art.
Inhalt
Kulturtipp 09/2013
Urs Hangartner
«Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten», heisst es im Vorspann des Films. «Seit ich mich entschieden habe, Regisseur zu werden, wollte ich diese Geschichte erzählen. Meine Geschichte.» Das schreibt der 1972 geborene Filmemacher Benjamin Ávila in einer Notiz zu seinem ersten Spielfilm «Enfancia Clandestina». Es sei kein eigentlicher Biografie-Streifen. Ávila wollte vielmehr seine eigenen Kindheitserinnerungen dazu nutzen, einen Sp...
«Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten», heisst es im Vorspann des Films. «Seit ich mich entschieden habe, Regisseur zu werden, wollte ich diese Geschichte erzählen. Meine Geschichte.» Das schreibt der 1972 geborene Filmemacher Benjamin Ávila in einer Notiz zu seinem ersten Spielfilm «Enfancia Clandestina». Es sei kein eigentlicher Biografie-Streifen. Ávila wollte vielmehr seine eigenen Kindheitserinnerungen dazu nutzen, einen Spielfilm über die erste Liebe während der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) zu drehen.
Im Abspann werden die Namen genannt, denen «Infancia Clandestina» gewidmet ist – es sind diejenigen von getöteten Familienangehörigen des Regisseurs Benjamin Ávila.
Rückkehr aus dem Exil
Es sind finstere Zeiten in Argentinien. Nach dem Tod von Juan Perón (1974) herrscht die Militärjunta. Im Jahr 1979 kehrt der 12-jährige Juan (Teo Gutiérrez Moreno) mit seinen Eltern aus dem chilenischen Exil in die alte Heimat zurück. Vater und Mutter sind Mitglieder der oppositionellen Aktivistengruppe «Montoneros». Sie leben unter falschen Namen in Buenos Aires, und Juan heisst ab sofort Ernesto. Die Familie kommt bei Onkel Beto (Ernesto Alterio) unter. Er handelt offiziell mit Schoko-Nüssen. In der Garage hat er für Juan ein Versteck hinter Verpackungsschachteln eingerichtet, für alle Fälle.
Das Alltagsleben einer «Geheimexistenz» birgt für Juan überraschende Momente. Eines Tages beginnt in der Schule die ganze Klasse, «Happy Birthday» anzustimmen. Das Lied gilt ihm, will heissen «Ernesto», denn im gefälschten Pass steht das entsprechende Geburtsdatum. Wie es sich gehört, gibts eine Geburtstagsparty. Onkel Beto organisiert alles und sorgt für eine Disco mit tanzfreudigen Kindern. Bei den langsameren Musikstücken kommt man sich näher. Juan wählt Maria als Partnerin aus, ihr schenkt er sein Herz.
Die Wende
Dann die Nachricht: Der Onkel ist tot, erschossen bei einem Hinterhalt. Das heisst, dass es für Juan und die Seinen in Betos Haus nicht mehr sicher ist; in die Schule darf er auch nicht mehr. Juan nimmt seinen Pass und Geld aus der Kriegskasse der «Montoneros». Er lädt Maria auf den Rummelplatz ein. Im Spiegelsaal bekennt er: «Ich will immer mit dir zusammen sein.» Im Fernsehen kommt die Nachricht: Juans Vaters wurde bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet.
Es musste ja so weit kommen: Polizeikräfte stürmen das Haus und finden Juan. Wie er es von den Eltern und von Onkel Beto gelernt hat, bleibt er in den Verhören standhaft – «Ich bin Ernesto Estrada». Die Schergen des Regimes lassen den Jungen schliesslich laufen.
Für seinen Spielfilmerstling hat sich Ávila hauptsächlich an zwei Vorbildern orientiert: «Papa ist auf Dienstreise» des Serben Emir Kusturica und «Mein Leben als Hund» des Schweden Lasse Hallström. Wegen ihrer Darstellung von Kindheit, wie Ávila erklärt. Dazu komme das politische Kino des Engländers Ken Loach. Mit «Infancia Clandestina» reiht sich der Argentinier in eine gute Filmtradition ein.
Infancia Clandestina
Regie: Benjamin Ávila
Ab Do, 25.4., im Kino